Der Weg des Feuers
Sekhmet, die Herrin über alle Mächte. Am Hals trägst du das Amulett mit dem Zepter von sekhem, der Macht über die Elemente, und ich verwende dieses Zepter, um Opfergaben zu weihen. Es ist unmöglich, Sekhmets Löwin zu vernichten. Da der Prophet ihre Kräfte irgendwie in die Irre geleitet hat, um sie zu missbrauchen, muss ich ihr den angestammten Platz zurückgeben.«
Sekari war halb erfroren.
Mitten im Sommer erwachte der zweite Nilkatarakt zu einem eiskalten Morgen – fernab vom schönen Ägypten. Das war mit Sicherheit ein neuer Fluch des Propheten.
Fünf Neugierige betrachteten den steinernen Bauch: der Pharao, Iker, Nordwind, Fang und Sekari. Die ägyptische Armee wollte das Hindernis auf dem Weg durch die Wüste überwinden.
Als Mitglied des Goldenen Kreises von Abydos wusste Sekari, welche Fähigkeiten der Pharao besaß. Angesichts dieser hoch aufgetürmten Felsen und der tosenden Wasser konnte er jetzt aber nicht mehr an einen Erfolg glauben. Doch als er seinen Eid geleistet hatte, hatte er geschworen, dem König überallhin zu folgen. Gleichgültig wie abschreckend diese Landschaft auf ihn wirken mochte, sie würde ihn nicht aufhalten. Was man verspricht, das hält man auch. Als Meineidiger war man so gut wie tot.
»Sieh dir den Felsen an, der über dem Katarakt wacht«, sagte Sesostris zu Iker. »Woran erinnert er dich?«
»Er hat die Gestalt des Uräus, der aufgerichteten Kobra auf der Stirn Eurer Majestät.«
»Ja, und deshalb werden wir beschützt. Vergiss die Stromschnellen und das Getöse.«
Der Pharao hatte das Steuerruder in der Hand und lenkte das Schiff durch einen engen Durchgang, in dem die entfesselten Fluten tobten. So weit das Auge reichte, türmten sich die Felsen vor ihnen auf.
Sekari war bis auf die Knochen nass und klammerte sich an das Schiffsgeländer. Der Nil verdoppelte noch einmal seine Angriffslust, und das Schiff krachte und knarzte so fürchterlich, als würde es gleich auseinander fallen.
»Nimm das Ruder«, befahl Sesostris Iker. Dann spannte er einen gewaltigen Bogen; die Spitze seines Pfeils war aus Karneol und leuchtend rotem Jaspis.
Das Geschoss zerriss den Nebelschleier.
»Wir haben sie ganz schön bluten lassen«, bekräftigte Schiefmaul.
»Wie viele Schiffe wurden zerstört?«, fragte der Prophet.
»Drei, und ein viertes schwer beschädigt.«
»Das ist ein enttäuschendes Ergebnis.«
»Drei Lastschiffe weniger schwächen sie gehörig! Außerdem haben die Ägypter jetzt wieder Angst vor uns. Sie wissen, dass wir ständig über sie herfallen können. Und je tiefer sie nach Nubien vordringen, umso verletzlicher werden sie.«
»Die nubischen Zauberer sind aber geflohen«, erinnerte Shab der Krumme ängstlich.
»Diese schwarzen Kerle kneifen doch bei der ersten Herausforderung! Meine libyschen Truppen fürchten sich aber vor keinem Feind. Und wir haben die Löwin. Sie wird die ägyptische Armee ganz allein in die Flucht schlagen!«
Schiefmaul erwähnte lieber nicht, dass er den Geist von Iker gesehen hatte.
»Gehen wir schlafen«, befahl der Prophet, »morgen sind wir wieder an der Reihe.«
Kurz vor Tagesanbruch verließ er mit seiner Gefährtin das Zelt. Die Luft draußen war eiskalt, der Todeskampf der Nacht bedrückend.
Die junge Frau zitterte.
»Ich ersticke gleich, Herr«, klagte sie.
Ein Feuerschweif setzte die letzte Dunkelheit in Flammen. Zunächst schien er sich in der Ferne zu verlieren, kehrte dann aber mit unerhörter Geschwindigkeit zurück und durchbohrte den rechten Schenkel von Bina, die vor Schmerz aufschrie. Dem Propheten blieb keine Zeit, die verletzte Löwin zu versorgen, weil im Licht des ersten Sonnenstrahls ein riesengroßer Falke mit goldenen Augen am Himmel auftauchte und über seiner Beute kreiste.
Augenblicklich verwandelten sich die Hände des Propheten in Fänge und seine Nase in den Schnabel eines Raubvogels. Als der Falke einen gellenden Schrei ausstieß, glaubte er nur, das sei das Zeichen zum Angriff. Die Verkörperung des Pharaos war zwar in der Lage, das Unsichtbare zu sehen, und ließ ihrem Opfer gewöhnlich nicht die geringste Chance. Aber diesmal würde der Falke besiegt werden.
Einen Meter über dem Boden würde er dem Propheten ins Netz gehen. Und dann würde er Horus-Sesostris den Kopf abschneiden.
Im Licht der aufgehenden Sonne flog der Falke wieder hoch am Himmel.
»Herr, der Katarakt ist auf einmal ganz still!«, sagte Shab. Ein Späher kam angelaufen.
»Wir müssen fliehen, die ägyptische Armee
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