Der Weg des Feuers
eine geflochtene Scheibe in der Größe der Krugöffnung gelegt wird. So ist das Gefäß dicht verschlossen, und die Flüssigkeit kann trotzdem atmen.«
Jedes Gefäß bekam eine Nummer, außerdem wurde noch darauf geschrieben, wann das Wasser abgefüllt worden war. Auch in der größten nubischen Hitze sollten die Soldaten immer ausreichend Wasser haben.
»Isis… Wieder müssen wir uns trennen, vielleicht für immer.«
»Unsere Pflichten kommen vor unseren Gefühlen.«
»Ihr habt eben ›unsere‹ Gefühle gesagt – Ihr empfindet also etwas für mich?«
Ihr Blick schweifte in die Ferne.
»Während Ihr jetzt Euer Leben aufs Spiel setzt, kümmere ich mich in Abydos um den Baum des Lebens und versuche, so gut es geht, meinen Pflichten als Priesterin nachzukommen. Die augenblickliche schwierige Lage lässt uns keine Zeit zum Träumen. Außerdem muss ich Euch noch etwas Wichtiges anvertrauen.«
Ikers Herz schlug noch heftiger.
»Diese Auseinandersetzung ist von vollkommen unbekannter Art. Ihr müsst auf eine Schlacht vorbereitet sein, die anders ist als alle bisherigen. Dabei geht es nicht einfach nur darum, einen Angreifer zurückzuschlagen oder ein Gebiet zu erobern, sondern es geht um die Rettung der Mysterien des Osiris. Der Feind nährt sich von der Finsternis und nimmt zahllose Gestalten an, um isefet an die Macht zu bringen. Die Nubier sind in seinen Händen willenlose Werkzeuge. Wenn Ihr glaubt, Ihr wäret weit weg von mir, seid Ihr in Wahrheit ganz nah an Abydos. Entfernungen spielen dabei keine Rolle, das Einzige, was zählt, ist die Gemeinschaft, die aus unserem gemeinsamen Kampf entsteht.«
Auf einmal schien Isis nicht mehr so fern.
»Darf ich… Darf ich Euch auf die Wange küssen?«
Da sie nicht antwortete, wagte er es einfach.
Ihr Duft betörte ihn, ihre Zartheit machte ihn trunken. Niemals im Leben würde er diesen viel zu kurzen Augenblick des Glücks vergessen.
»Wir brechen auf!«, rief General Nesmontu mit dröhnender Stimme. »Alle Mann auf ihre Posten!«
Sofort brach im Hafen hektisches Durcheinander aus. Schnell wurden die letzten Kisten mit Waffen und Vorräten verladen, denn der alte Soldat verlangte strenge Ordnung.
»Seid sehr vorsichtig«, bat sie Iker.
»Wenn ich wiederkomme, Isis, werdet Ihr mich dann lieben?«
»Kommt wieder und denkt immer daran: Das Überleben von Osiris steht auf dem Spiel.«
Verriet ihr sanfter und zugleich ernster Blick nicht ein Gefühl, das sie ihm nur noch nicht gestehen wollte?
Schon lichtete das Schiff des Pharaos den Anker, alles wartete nur noch darauf, dass der Königliche Sohn den Landesteg hochzog. Zutiefst verwirrt ging Iker an Bord, als gerade Sesostris am Bug erschien.
Auf seiner Stirn trug der Pharao eine Kobra aus Gold und Lapislazuli mit Augen aus Granaten. Die gefährliche Schlange sollte die Flotte leiten und ihre Feinde aus dem Weg räumen. Außerdem schwenkte der Riese eine Lanze, die so lang und schwer war, dass niemand außer ihm mit ihr hätte umgehen können.
»Im achten Jahr meiner Herrschaft fahren wir jetzt durch diesen neuen Kanal. Ihm haben wir es zu verdanken, dass Ägypten und Nubien für immer vereint sind. Deshalb kann uns der Nachschub jetzt ohne Schwierigkeiten erreichen. Trotzdem steht uns eine äußerst heikle Aufgabe bevor. Doch diesmal werden wir den Unruheherd wirklich und endgültig löschen.«
Nordwind machte das Schlingern des Schiffs nichts aus, ungerührt sah er zu, wie sich Medes erbrach.
»Kommt mit«, sagte Gua mitleidig.
Der Sekretär des Königlichen Rates hatte wackelige Beine, war ganz grün im Gesicht und litt entsetzlich darunter, dass er sich so der Lächerlichkeit preisgab. Er hätte alles geschluckt, wenn er nur seine mannhafte Haltung wiedererlangte. Iker gewann inzwischen einen ersten Eindruck von der nubischen Landschaft. Eine leichte Brise aus dem Norden machte die Hitze des Hochsommers erträglich und erleichterte ihnen das Segeln, während die Sonne die wenigen Felder austrocknete. Dafür reiften gerade die Datteln, von denen die Soldaten bei jedem Halt Tausende pflückten. Damit hielt diese Jahreszeit für sie ein leicht verdauliches und nahrhaftes Lebensmittel bereit. Die Früchte der Dumpalme mit ihren wünschelrutenförmigen Blättern waren ungenießbar, aber der Gott Thot und die schweigsamen Schreiber liebten es, in ihrem Schatten nachzudenken. Im Süden Ägyptens kam diese Palme zwar vereinzelt vor, aber in Nubien wimmelte es nur so davon. Der Königliche Sohn verspürte ein
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