Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
nach Seife, Zedernholz und Wolldecke. Es wäre friedlich gewesen, wenn die Bilder der Nacht sich nicht immer noch in meinen Kopf gedrängt hätten.
» Also… wenn dieser Luc vom Ende der Welt spricht, meint er dann wirklich den Weltuntergang?«
» Nach dem Motto ›Es ist unsere letzte Nacht auf Erden‹?«
» So ungefähr.«
Ich richtete mich auf. » Das ist… unklar. Die Prophezeiung besagt, dass jeder Unvorbereitete wie Staub weggeschwemmt wird, wenn niemand der Sturzflut Einhalt gebietet.«
Er zog eine Augenbraue hoch. » Das klingt ziemlich endzeitlich.«
» Ich weiß. Für Menschen wie uns… kommt es darauf an, wie nahe wir den Linien sind, schätze ich. Für Lucs Leute… wird es schlimm, ganz gleich, wo sie sich aufhalten.« Mein Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen.
» Und du sollst dem Einhalt gebieten?«
» Nein. Das sollte Verity. Ich war bloß der Notbehelf.«
Sein Tonfall wurde schärfer. » Du bist kein Notbehelf.«
» So habe ich das nicht gemeint.«
Er trat näher auf mich zu, und der Zorn ließ seine Augen dunkler werden. » Oh doch. Du hast Luc erzählt, dass du bereit warst, heute Abend zu sterben. Ich habe es dich sagen hören.«
» Ich meinte…«
» Ich weiß ganz genau, was du gemeint hast. Und ich weiß, wie nahe du daran warst.« Er packte mich an den Armen und schüttelte mich ruckartig. » Tu das nie wieder, sonst bringe ich dich eigenhändig um. Glaubst du etwa, dass Verity wollte, dass du für sie stirbst?«
Lauf, Mo! » Nein.« Meine Stimme klang erbärmlich kleinlaut.
» Glaubst du, dass Luc es wollte? Er hat dir den Arsch gerettet, Mo. Ich vertraue ihm nicht, und ich werde auch nicht am Boden zerstört sein, wenn diese Sturzflut, von der du die ganze Zeit redest, ihn wie ein KFC -Hähnchen frittiert, aber als er die Wahl hatte, dich zu retten oder Evangeline und den Ring zu verfolgen, hat er sich für dich entschieden.«
» Er sieht mich nicht einmal«, sagte ich leise. » Nicht richtig.«
Colin schürzte die Lippen und ließ mich los. » Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wenn nicht, dann entgeht ihm etwas. Ich weiß, was ich sehe, wenn ich dich ansehe.«
» Was?«
» Jemand Außergewöhnlichen.«
Ich schüttelte den Kopf, und er lachte ein wenig. » Ich verstehe, wie es ist, sich nach einem ruhigen Leben zu sehnen. Ich suche danach, seit ich elf war, und das hier…« Er wies auf den Rest des Hauses. » Näher als hier bin ich ihm nie gekommen. Also verstehe ich das besser, als du dir vorstellen kannst. Aber manchmal, Mo… manchmal glänzt du einfach, und das hat nichts mit Magie oder mit Prophezeiungen zu tun. Das bist einfach du. Ich wünschte, du könntest es sehen.«
Ich presste mir die Finger auf die Augen, und sein Tonfall wurde ungläubig. » Weinst du etwa?«
» Nein.« Ich drückte fester zu. Es nützte nichts.
» Komm schon, Kid. Wieso weinst du?«
» Ich weine nicht«, sagte ich, aber er löste meine Hände von meinem Gesicht. » Und hör auf, mich ›Kid‹ zu nennen. Ich hasse es, wenn du das tust.«
» Ja«, sagte er leise. » Ich sollte wirklich damit aufhören.«
Sanft fuhr er mit einem Daumen unter meinen Wimpern entlang, fing die Tränen auf, bevor sie fielen, und zeichnete langsam den Umriss meines Kiefers nach.
Ich legte ihm die Hand mit der Handfläche voran flach auf die Brust. Die Wärme seiner Haut, die durch sein Baumwoll-T-Shirt drang, war schockierend, und ich konnte sein Herz schlagen fühlen; die Sekunden dehnten sich unerträglich. Die Decke glitt zu Boden, und er schloss für einen langen Moment die Augen.
» Mo?« Seine Hand sank herab, legte sich so um meine Schulter, dass ein Finger unter den Träger meines Tops glitt. » Das ist keine gute Idee.«
Die Welt mochte ja untergehen, aber Colin stand stabil, sicher und lebendig nur Zentimeter von mir entfernt, und plötzlich kam es mir wie die beste Idee überhaupt vor.
» Tut es weh?«, flüsterte ich und berührte den Mull um seinen Arm.
» Nein.« Seine andere Hand schloss sich um meine Hüfte, verankerte mich auf der Theke.
» Das ist gut.« Ich beugte mich zu ihm, nur ein winziges Stück, und er sog scharf die Luft ein, schlang sich meinen Topträger um die Finger, zog ihn straffer, holte mich näher heran.
» Mo«, wiederholte er warnend.
» Sag mir, dass ich aufhören soll.«
Er schüttelte den Kopf, eine kurze, verneinende Bewegung, und es war das Einfachste auf der Welt, ihn zu küssen, meine Lippen leicht auf seine zu drücken. Er hielt sehr still. Ich
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