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Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica O'Rourke
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statt geradeaus zu fahren.
    » Du fährst in die falsche Richtung«, sagte ich. » Über die Western Avenue kommt man schneller zur Einundneunzigsten Straße.«
    Er warf einen Blick in die Rückspiegel. » Ich weiß.«
    » Fahren wir denn nicht nach Hause?« Mir war durchaus daran gelegen, all der zusammengeballten Anspannung im Auto zu entkommen.
    » Wir fahren eine andere Strecke.«
    » Warum?«
    » Du nimmst jeden Tag denselben Weg nach Hause, nicht wahr?«
    » Ich fahre mit dem Bus. Da habe ich keine große Wahl.«
    » Mit dem Bus war’s das für dich«, sagte er. » Und wir werden abwechselnd verschiedene Routen nehmen, um deine Bewegungen unberechenbar zu halten.«
    » Du kennst mich nicht besonders gut, nicht wahr?« Ich war praktisch die Verkörperung von Berechenbarkeit– oder war es zumindest gewesen.
    » Nein.« Er lächelte dünn, als wir vor dem Haus anhielten. » Aber ich werde dich noch kennenlernen.«
    Ich langte nach dem Türgriff, unsicher, wie ich darauf reagieren sollte. » Danke für die Fahrt«, sagte ich, als es so aussah, als ob er aussteigen würde. » Ich kann die Einkäufe allein ins Haus bringen.«
    » Ich muss das Haus sehen«, erwiderte er.
    Dieser Kerl? In meinem Haus? Der Gedanke ließ mich in Panik geraten. Hatte ich Unterwäsche draußen herumliegen lassen? Trockneten noch BH s auf der Duschstange? Lag irgendwo die Cosmo -Ausgabe mit dem Artikel über sieben Möglichkeiten, einen Mann scharf zu machen?
    Colin zog die Pistole aus dem Handschuhfach und schob sie sich wieder unters Hemd. Er trug eine Art Holster; das schwarze Leder in seinem Kreuz kam kurz zum Vorschein.
    » Schlüssel?« Er drängte sich an mir vorbei die Stufen vor der Haustür hinauf.
    Ich zog das Schlüsselgewirr aus der Tasche, und er riss es mir aus der Hand.
    » Wer hat sonst noch Schlüssel?« Er ignorierte mein Protestquieken, als er die Tür aufschloss.
    » Ich. Meine Mutter. Wahrscheinlich auch Onkel Billy.« Ich hielt inne. » Verity.«
    Er sah sich um, und sein Körper versperrte mir die Sicht ins Wohnzimmer. » Neue Schlösser. Alarmanlage«, murmelte er, während er durchs Haus streifte. » Ausgänge?«
    » Na ja, die Haustür. So bist du reingekommen, also kennst du den offensichtlich schon…« Ich brach ab, als er sich zu mir umdrehte, die Stirn runzelte und mir mit einer Handbewegung » Mach schon!« bedeutete. » Es gibt eine Hintertür in der Küche. Wir brauchen keine Alarmanlage. Wir haben kaum etwas, das es wert wäre, gestohlen zu werden.«
    » Willst du, dass ich hier einziehe?«
    Ich blieb mit dem Schuh an dem ausgeblichenen Orientteppich hängen. » Nein!«
    » Dann bekommt ihr eine Alarmanlage.« Er setzte seinen Rundgang durchs Haus fort, als wäre ich nicht da, nahm die Fenster in Augenschein und schüttelte offensichtlich enttäuscht den Kopf.
    Ich versuchte, mein Zuhause mit seinen Augen zu sehen; es war ein verstörendes Gefühl. Ich lebte schon seit meiner Geburt hier. Die Zimmer waren so vertraut, dass ich im Dunkeln hindurchgehen konnte, ohne gegen die Möbel zu stoßen– für einen Tollpatsch wie mich war das eine beeindruckende Leistung. Ich sah sie noch nicht einmal mehr richtig. Nichts hier veränderte sich je. Ich lief hinter Colin her und betastete den haarfeinen Riss in einer der Fensterscheiben.
    Das Haus war natürlich sauber. Meine Mutter war wie der Teufel hinter Wollmäusen her. Schulfotos von mir waren akkurat auf dem Sims des Kamins aufgereiht, den wir nie benutzten. Sie unterschieden sich nie voneinander– Schuluniform, braunes Haar, zum Pferdeschwanz gebunden oder von einem Haarreifen zurückgehalten, aufgesetztes Lächeln und leicht zur Seite geneigter Kopf, wie alle das machen. Es war nur ein einziges Foto von meinem Vater dabei, nach hinten geschoben. Auf dem Bild hielt er mich auf dem Schoß, und wir glitten eine Rutsche im Park hinunter. Ich war etwa drei Jahre alt, und mein Gesichtsausdruck war halb entsetzt, halb entzückt.
    Colin warf einen kurzen Blick auf die Bilder, dann sah er wieder mich an. » Dein Alter?«
    Ich nickte. Er schaute noch einmal hin, diesmal genauer. » Du siehst ihm ein bisschen ähnlich. Die gleichen Augen.«
    Da endete die Ähnlichkeit allerdings auch, wie ich ihm gern versichert hätte. Aber er war bereits weitergegangen, und ich drehte das Bild zu mir herum, sah es zum ersten Mal seit Jahren wirklich. Mein Gesicht war pausbäckig wie bei jedem Kleinkind, meine Augen zugekniffen, aber die meines Vaters waren perfekt zu sehen,

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