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Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erica O'Rourke
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der Hand, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
    » Was zur Hölle tust du da?«
    Ich versuchte aufzuspringen, aber meine Füße verhedderten sich, und ich fiel hintenüber mitten im Durchgang geradewegs auf den Allerwertesten. Es hatte schon seinen Grund, dass ich in jeder Fußballsaison die Bank wärmte.
    Colin stand mit verschränkten Armen am Ende der Einfahrt, und ich kämpfte mich auf die Beine. Seine finstere Miene wäre beruhigend gewesen, wenn sie einem Bösewicht gegolten hätte.
    » Ich wollte mich nicht davonschleichen. Ich wollte nur frische Luft.«
    » Du hast den Alarm nicht abgestellt. Hattest du es so eilig, an die frische Luft zu kommen?«
    » Ich habe es vergessen. Tut mir leid.«
    » Gibt es irgendeinen Grund, dass du das da kaputthaust… was war das überhaupt?« Er neigte den Kopf zur Seite und musterte die Pfütze aus glasübersätem Wasser. » Hast du etwas gegen Schneekugeln?«
    » Sie war kaputt«, murmelte ich.
    » Jetzt ist sie es jedenfalls. Du solltest die Glasscherben auffegen«, fügte er hinzu.
    » Du bist sehr hilfsbereit.«
    » Dein Onkel hat gesagt, dass ich auf dich aufpassen soll– nicht, dass ich deine Schweinereien aufwischen muss.«
    Ich atmete mit einem Schnaufen aus; ich hatte nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. » Darum habe ich dich auch nicht gebeten.« Ich musste Colin loswerden. Schon wieder. » Ich fege es gleich auf, in Ordnung? Kannst du aufhören, mir auf der Pelle zu sitzen? Du bist wie meine Mutter.«
    Ich stapfte ins Haus zurück, schnappte mir den Besen und ließ die Grundplatte der Schneekugel auf dem Tisch auf der Veranda stehen.
    Colin lehnte an der Garage, als ich zurückkehrte. » Du sagst mir nicht alles.« Er klang, als ob er ein Kindergartenkind ausschimpfte, das er beim Flunkern ertappt hatte.
    » Muss ich das?« Ich fegte das Glas aufs Kehrblech. » Ich wollte nirgendwohin, nur wieder hinein.«
    » Tolle Idee.« Er wartete ab, bis ich fast schon auf der Veranda war, bevor er mir nachrief: » Pläne für heute Abend?«
    Nicht stehen bleiben. Nicht schuldbewusst dreinblicken. » Ich muss mit der Sommerlektüreliste fertig werden– noch mehr Shakespeare. Macht großen Spaß. Gute Nacht.«
    » Dir auch. Pass mit dem Glas auf.«
    Ich fragte mich einen Moment lang, wie viele Jobs wie diesen er schon erledigt hatte. Wahrscheinlich eine Million, wenn man danach ging, wie abgeklärt er wirkte. Er hatte jede einzelne Frage meiner Mutter abgeblockt, ohne dass sie es bemerkt hätte, und mit mir hatte er dasselbe getan. Seufzend verschloss ich die Tür hinter mir und stellte den Alarm wieder an. Eines hatte ich immerhin herausgefunden: Colin überwachte die Alarmanlage.
    Mit einem Küchenhandtuch entfernte ich das restliche Glas um die Platte herum und warf es in den Küchenmülleimer; dann legte ich ein bisschen Kohl darauf, der seine beste Zeit längst hinter sich hatte. Es blieb nur noch wenig Zeit, bis meine Mutter nach Hause kam.
    Ich musterte die Platte im hellen Licht meiner Nachttischlampe. Der Harlekin lächelte leer zu mir hoch, maskiert und grellbunt. Sogar die Bemalung war billig: Die Farben verliefen ineinander, ganz anders, als sie es bei Veritys eigenen Arbeiten getan hätten. Sie hatte zwar immer die Bühne bevorzugt, aber sie war auch eine begabte Künstlerin gewesen. Sie wäre nie so nachlässig gewesen.
    Mit der Schatzkiste war es anders. Die Edelsteinketten waren sorgfältig bemalt, und jedes winzige Juwel war einzeln aufgefädelt, sodass sie hin und her schwangen, als ich pustete. Die Goldmünzen, die an den Rändern hervorsahen, glänzten und waren bis ins Detail ausgestaltet. Ich stemmte die Scharniere mit einer Büroklammer auf und klappte den Deckel hoch; darunter befand sich ein massiver Klumpen aus Juwelen und Münzen. Ich drückte an ihnen herum, kratzte mit der Spitze eines Fingernagels. Was auch immer Verity hier versteckt hatte– wenn sie es denn getan hatte und mich nicht im Jenseits für meine Dummheit auslachte–, musste wichtig sein, wenn sie sich so viel Mühe gemacht hatte.
    Mit einem hörbaren Knacken löste sich der falsche Boden der Schatzkiste. Die kleine Höhlung darunter erstreckte sich bis in die Bodenplatte, die sich als mit… Stoff ausgekleidet erwies. Mit schwarzem, knochentrockenem Samt, der sich unter meiner Fingerspitze weich und zerknittert anfühlte. Ich fischte darin herum, bis mein Nagel an einer dünnen Seidenkordel hängen blieb. Ich zupfte, und ein winziger schwarzer Beutel fiel heraus.

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