Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
Versprechen Lena gegenüber zu halten. Aus einem Durcheinander von Gründen, von denen kein einziger besonders gut war.
Zwanzig Minuten später schlich ich mich hinunter, wobei ich einen Bogen um die quietschenden Stufen der Treppe und die lose Diele im Wohnzimmer machte, ging auf die Veranda und stellte den Alarm ab. Selbst wenn Colin bemerkte, dass jemand etwas daran veränderte, würden Lena und ich längst weg sein, wenn er hierher zurückkam, um nach mir zu sehen.
Ich berührte den Ring, der sich jetzt auf meiner Haut wärmer anfühlte. Am Ende der Einfahrt betätigte Lena die Lichthupe ihres heruntergekommenen weißen Malibu, und ich rannte zu ihr.
» Siehst du?«, sagte sie, als ich einstieg und mir den Rock zurechtzog. » Es geht schon alles gut.«
Das bezweifelte ich. Was noch vor ein paar Minuten wie eine nicht allzu schreckliche Idee gewirkt hatte, kam mir jetzt völlig dumm vor. Ich rang die Finger und hasste mich selbst. Was tat ich hier– auf eine Party gehen, obwohl meine beste Freundin tot war? Was für ein fürchterlicher Mensch tat so etwas?
Lena warf einen Blick auf mich und schüttelte den Kopf. » Unter keinen Umständen«, sagte sie. » Ich wende nicht.«
» Ich fühle mich nicht gut«, erwiderte ich. Falls ich wie ein Jammerlappen klang, störte es mich nicht.
» Du kannst dich nicht das ganze Jahr lang verstecken. Wenn du das hier überlebst, ist alles andere dagegen leicht.« Sie schlug sich die Hand vor den Mund. » Tut mir leid. Schlechte Formulierung. Ich wollte dich nicht… daran erinnern.«
Ich berührte die Halskette und beobachtete die Scheinwerfer der vorüberfahrenden Autos, die hinter dem Tränenschleier verschwammen, den ich fortblinzelte. » Du kannst mich nicht daran erinnern. Da müsste ich es ja erst vergessen haben.«
Als wir am Haus der McAllisters ankamen, zögerte ich.
» Geh schon vor«, sagte ich zu Lena. » Ich brauche noch eine Minute.«
Sie runzelte die Stirn. » Wenn du in fünf Minuten nicht da bist, komme ich und hol dich. Mach dich bereit.«
Ich wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte, und setzte mich dann auf die Stufen vor dem eleganten Haus aus roten Ziegeln. Mir war übel vor Nervosität.
Kanye West tönte hinter der torbogenförmigen Eichentür hervor, und zwischen den geschmackvollen Fenstervorhängen hindurch konnte ich meine Klassenkameradinnen tanzen, trinken und mit Importen von den Universitäten DePaul und Loyola flirten sehen. Warum mit netten katholischen Highschool-Schülern ausgehen– so lautete die Überlegung–, wenn man doch genauso mühelos katholische Collegestudenten auftun konnte?
Es war die Party, über die wir geredet hatten, seit wir auf die Highschool gekommen waren, und jetzt war ich hier, Verity nicht. Ich betastete die Kette, die ich um den Hals trug. Sie hätte hier sein, vorangehen und die Menge mit ihrer Schönheit und Energie, diesem Strahlen, das jedes Mädchen wollte, teilen sollen.
Ich konnte das nicht. Verity hätte es gekonnt. Sie hätte es getan. Sie wäre vielleicht nervös gewesen, aber sie wäre geradewegs hineingegangen. Und das musste ich auch, sonst war ich wirklich so klein und schwach, wie Luc glaubte.
Ich streifte die Kette ab und wiegte den Ring in der Handfläche. Selbst im matten Licht der Türlaternen haftete den Steinen ein seltsamer Glanz an. Alle erzählten mir ständig, Veritys Geist sei noch bei mir. Warum nicht auch in ihrem Schmuck? Ich steckte mir den Ring an den Finger, überrascht, dass er passte. Er fing erneut das Licht der Laternen ein und schien in Flammen zu stehen, als würde ein weißer Strahlenkranz über den indigoblauen Stein laufen. Ich starrte ihn wie gelähmt an.
Die Tür schwang auf. Lena zerrte mich hinein, einen Plastikbecher Absolut Mandrin in der Hand.
Kapitel 10
Die Party kam nicht wirklich schlagartig zum Erliegen, als ich eintrat– die Musik spielte weiter, die Pärchen auf der Couch schmusten weiter, der Alkohol floss weiter in Strömen–, aber mein Erscheinen schlug erkennbar Wellen. Jede Gruppe, an der ich vorbeikam, wurde sehr still, wenn ich vorüberging. Dann– unmittelbar bevor ich außer Hörweite war– begannen sie zu kichern, und der Klatsch klang durch den Raum wie das Summen eines Bienenstocks.
» Hier rein«, sagte Lena und führte mich durch Zimmer, die mit antiken Möbeln vollgestellt und von unangenehm süßlichem Rauch erfüllt waren. Wir kamen an einem Musikzimmer vorbei, in dem jemand das Addams-Family- Thema schlecht auf einem
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