Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
sagte nichts, und nach einer Weile fuhr er fort: » Wenn man erst einmal angefangen hat, sich zu entscheiden, setzt man die Dinge in eine bestimmte Richtung in Bewegung, und die Dinge können sich sehr tief einnisten, bevor einem aufgeht, was geschehen ist. Das heißt nicht, dass man keine Entscheidung fällen sollte, aber man muss die Konsequenzen mit einberechnen.«
Ich fragte mich, ob es so gekommen war, dass Colin für Billy zu arbeiten begonnen hatte, und ob er es jetzt bereute. Die Frage stand zwischen uns, groß und verführerisch, und ich hätte sie beinahe gestellt. Dann ging mir auf, dass Colin sich von Anfang an meinem Onkel untergeordnet hatte. Er hatte klargestellt, dass er für Onkel Billy arbeitete, nicht für mich, und dass das, was ich wollte, hinter den Wünschen meines Onkels zurückstehen musste.
Heute Abend hatte er mich zum ersten Mal ermuntert, über das nachzudenken, was ich wollte, statt mir Befehle zu erteilen. Es kam mir schäbig vor, ihm das zu vergelten, indem ich ihn über eine Vergangenheit löcherte, über die er nie hatte sprechen wollen. Stattdessen lehnte ich mich gegen ihn und fühlte mich im verdunkelten Fahrerhäuschen seines Trucks sicherer als irgendwo sonst. Meine Augenlider wurden schwer, und wir fuhren schweigend weiter, bis er vor meinem Haus anhielt.
» Ruh dich ein bisschen aus«, sagte er, als ich ausstieg. » Mach dir über die Identifizierung erst morgen Gedanken.«
Ich zog in Erwägung, ihm zu erzählen, dass ich mir über mehr als die Forderungen meines Onkels Gedanken machte, tat es dann aber nicht. Was Colin verstehen konnte, hatte seine Grenzen, ganz gleich, wie sehr er mich an einem einzigen Abend überrascht hatte.
Kapitel 20
Wie sich herausstellte, musste ich mir über die Identifizierung keine Gedanken machen, zumindest nicht gleich. Kowalski nahm keinen Kontakt zu mir auf und Onkel Billy auch nicht. Als ich Colin nach der unerwarteten Funkstille fragte, zuckte er die Achseln und sagte, dass ein bisschen Zeit hilfreich sei, wenn man eine Entscheidung zu fällen hatte.
Luc muss nach demselben Prinzip verfahren sein. Ich rechnete ständig damit, dass er aus einem Spind hervorspringen oder mich in ein Klassenzimmer zerren würde, um eine weitere Reise durchs Dazwischen zu unternehmen, aber ich sah ihn über eine Woche lang nicht. Er war nicht völlig verschwunden– als ich eines Nachmittags vor der Chemiestunde meinen Spind öffnete, ergoss sich eine Lawine aus Jasminblüten über mich. Als ich sie mir mit den Fingern aus dem Haar kämmte und versuchte, nicht wie ein Idiot zu grinsen, schüttelte Lena wissend den Kopf.
Die Jungen waren immer hinter Verity her gewesen, nicht hinter mir, und das war mir recht gewesen. Sie hatten immer einen Freund mitgebracht, wir waren alle ein paar Mal zusammen ausgegangen und hatten uns dann aus den Augen verloren. Ganz nett, aber nichts, woran man sich lange erinnerte. Nichts, was mich wirklich aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Zumindest war keiner von ihnen es wert gewesen, die endlosen Predigten meiner Mutter darüber zu ertragen, Was Jungen Wollten und Was Brave Mädchen Nicht Taten.
Luc dagegen brachte mich erheblich aus dem Gleichgewicht, und das lag nicht nur an seiner Magie. Jedes Mal, wenn ich eine weitere wachsgleiche, weiße Blüte aus meinem Kragen oder meinem Notizbuch fischte, spürte ich eine neue Gefühlsaufwallung. Nervosität, ein schlechtes Gewissen und Begehren verstrickten sich in mir miteinander.
Selbst wenn Luc mir die Wahrheit über sich und Verity sagte, änderte das nichts an der Tatsache, dass ich mich darauf hätte konzentrieren sollen, ihre Mörder zu finden, statt mir einen Freund zu suchen. Sich in Luc zu verlieben war, wie Verity zu vergessen, und das war das eine, was ich nicht tun konnte und würde.
Aber zu vergessen, wie er schmeckte, wie sich sein Haar unter meinen Fingerspitzen angefühlt hatte, wie warm seine Haut gewesen war, schien unmöglich zu sein.
Ich musste beweisen, dass ich immer noch entschlossen war. Verity zeigen, dass sie für mich an erster Stelle stand. Also rief ich zwischen Chemie und Mathe die Nummer auf Evangelines Visitenkarte an.
» Mo«, sagte sie. » Ich hatte gehofft, von dir zu hören.«
» Sie haben gesagt, dass wir, wenn ich… für Verity einspringen möchte…, gewisse Dinge tun müssen.«
» Ja. Es gibt ein Ritual, das du durchlaufen musst.«
» Einen Zauber? Wie neulich?«
» Nicht ganz. Der Verhüllungszauber war passiv– ein Zauber,
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