Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin
Beziehung hätte. Es waren keine Ausreden; ich versuchte, eine Balance zwischen seiner Welt und meiner zu finden.
Lena schlief schließlich irgendwann gegen zwei Uhr morgens ein und schnarchte zart auf dem Sofa. Ich kuschelte mich auf dem Teppich in mein Nest aus Kissen und Decken und hing Erinnerungen nach. Verity und ich hatten mindestens einmal die Woche beieinander übernachtet, genau so. Eine Freundschaft mit Lena würde nicht dasselbe sein, das wusste ich. Aber sie war ein Anfang, ein kleiner Teilbereich meines Lebens, der in Ansätzen wieder normal war. Der Gedanke heiterte mich auf, als ich langsam einschlief.
Eine Stunde später schreckte ich hoch, als mir das Geräusch von splitterndem Glas in die Ohren drang. Ich kämpfte gegen den Deckenwust an, in dem sich meine Beine verheddert hatten. Lena fuhr hinter mir aus dem Schlaf, als ein zweiter Ziegelstein durchs Vorderfenster gesegelt kam und zu ihren Füßen landete.
» Hinten raus!«, rief ich, zerrte sie vom Sofa und stieß sie in Richtung Küche. » Los!«
Ich wollte ihr gerade folgen, als jemand die Haustür auftrat. Ein Mann mit Skimaske füllte den Türrahmen aus, und ich schrie auf.
» Mo!« Colin kam mit gezogener Pistole durch die Küchentür gestürmt. » Nach oben! Sofort!«
Aber ich blieb wie angewurzelt stehen. Lena zog an meinem Arm. Ich bemerkte die Bewegung kaum.
» Komm schon!«, schrie sie und schleifte mich die Stufen hinauf. Ich schüttelte sie ab und war unfähig, mich von dem Anblick loszureißen, der sich mir bot. Der Fremde zog eine Pistole – die größte, die ich je gesehen hatte –, zielte auf Colin und schüttelte warnend den Kopf.
» Nun mach schon!«, zischte Lena und zerrte an mir.
Ein zweiter Mann erschien hinter dem ersten, die Pistole in der Hand.
Er zielte genau auf mich.
Die Beine gaben unter mir nach. Ich sank auf die Stufen und umklammerte das Treppengeländer.
Colin warf einen Blick zu mir hinauf und richtete die Pistole mit harter Miene auf den zweiten Mann. » Mit ihr hast du kein Hühnchen zu rupfen«, sagte er. » Es ist das Klügste, wenn ihr jetzt geht.«
Die Tür knarrte und schwang wie betrunken an ihren zerbrochenen Angeln hin und her.
» Geht«, wiederholte Colin. Sein Finger bewegte sich ein winziges Stück auf dem Abzug. » Geht jetzt, sonst erledige ich euch und alle, die ihr je geliebt habt. Und das wird … Nicht. Schnell. Gehen.«
Auf dem Treppenabsatz über mir flehte Lena mich an, mich zu bewegen. Die Vorhänge verdrehten sich in der Nachtluft, und die Temperatur fiel so schnell ab, dass mir die Zähne klapperten. Ich umklammerte die Brüstung, spürte, wie das Holz unter meinen Fingernägeln splitterte, und fand im Schmerz Halt.
Colin wankte keinen Augenblick: Die Waffe zitterte nicht in seiner Hand, und sein Blick war unverwandt auf den Mann gerichtet, der noch immer mit der Pistole auf mich zielte. Der Lauf wirkte unglaublich lang, das Loch in der Mitte unendlich tief. Ich fragte mich, ob es das Letzte sein würde, was ich sah.
Und dann ließ der Mann die Pistole sinken und tippte seinem Partner auf die Schulter. Schweigend gingen sie rückwärts zur Tür hinaus. Colin hielt die ganze Zeit über die Pistole auf die beiden gerichtet. Das Glas knirschte unter seinen Füßen, als er sich Stück für Stück zur Tür vorschob, um die Einbrecher besser im Blick behalten zu können, als sie flohen. Auf der anderen Straßenseite wurde ein Motor hochgejagt, Reifen quietschten – und dann waren sie fort.
Ich kniff die Augen zu, krümmte mich immer enger zusammen, um das Zittern zu unterdrücken, das mich schüttelte, und dann kniete sich Colin auf die Stufe unter mir und schlang die Arme um mich. » Mo? Sie sind gegangen. Sie sind weg. Sie haben dir nichts getan.« Die Bartstoppeln an seinem Kiefer waren weizenfarben, aber die Haut darunter war blass.
» Sie hatten Pistolen«, sagte ich.
» Ich weiß. Schon gut. Dir ist nichts passiert. Mein Gott«, sagte er und atmete aus. » Dir ist nichts passiert.«
Lena erschien oben an der Treppe, das Handy in der Hand. » Ich rufe jetzt die Polizei.«
» Nein«, sagte Colin. » Lass die Polizei da raus.«
» Spinnst du? Diese Leute haben gerade versucht, uns umzubringen. Natürlich rufe ich die Polizei.«
Er ließ mich los und sprang auf sie zu. » Nein. Du machst alles nur noch schlimmer.« Er riss ihr das Telefon aus der Hand.
» He!« Sie versetzte ihm einen Stoß. » Hast du das mit den Pistolen etwa nicht mitbekommen? Schlimmer kann es
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