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Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin

Titel: Der Weg in die Dunkelheit 2: Die Wächterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erika O'Rourke
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Aufgabe auf, mich zu beschützen, dass er mir nie vertrauen würde. Wir hatten nie eine Chance gehabt.
    Ich nahm Lenas Teebecher und ging.
    Lena saß in ein abgetragenes Northwestern-Sweatshirt gekuschelt auf meinem Bett. Mit einer Hand spielte sie an ihrem Pferdeschwanz herum, in der anderen hielt sie die Mitschrift der Gerichtsverhandlung meines Vaters.
    » Was tust du da?«, fragte ich und blieb wie angewurzelt stehen. Heißer Tee schwappte über den Rand des Bechers und verbrannte mir die Hand, aber ich ignorierte es.
    Lena blickte mit offenem Mund auf. » Deine Familie ist wirklich ein ganz schön übler Haufen.«
    Ich stellte die Becher auf die Kommode und entriss Lena die Akte. » Das ist privat! Was gibt dir das Recht, in meinen Sachen herumzuschnüffeln?«
    » Du hast sie auf deinem Schreibtisch liegen lassen«, sagte sie. » Nicht sehr privat.«
    Ich blätterte die Papiere durch, die ich ihr abgenommen hatte. » Das ist nur das Verhandlungsprotokoll«, murmelte ich und ließ erleichtert die Schultern sinken. Colins Akte war in meiner Schultasche in Sicherheit. Die Geheimnisse meiner Familie waren schlimm genug, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass irgendjemand sonst von Colins Vergangenheit erfuhr, besonders, da ich sie gerade erst selbst aufzudecken begann.
    » Nur das Protokoll? Gibt es noch mehr? Hast du das hier gelesen?«
    » Noch nicht.« Ich legte den Papierstapel in die oberste Schublade und schob sie mit beiden Händen zu. Es gab längst nicht mehr genug Schubladen, um alle Geheimnisse aufzunehmen, und plötzlich überkam mich die widerwärtige Gewissheit, dass nichts, was ich tat, sie alle unter Verschluss halten konnte. Lenas Gesichtsausdruck war mitleidig. » Du wusstest, was das war«, sagte ich. » Warum hast du weitergelesen?«
    Sie warf die Hände hoch. » Weil heute Nacht maskierte Leute hier eingebrochen sind und uns mit Pistolen bedroht haben – und deine Reaktion darauf darin bestand, die Polizei da herauszuhalten. Weil dein Bodyguard gedroht hat, gegenüber den Bösen eine Politik der verbrannten Erde zu betreiben, und du nicht einmal mit der Wimper gezuckt hast. Weil ich glaube, dass du in sehr, sehr großen Schwierigkeiten steckst, und ich versuche, dir eine Freundin zu sein.«
    » Indem du schnüffelst?«
    » Ich versuche herauszufinden, was mit dir los ist. Damit ich helfen kann. Das tun Freundinnen nun einmal, sofern du das noch nicht vergessen hast.« Sie atmete langsam aus und starrte eine Weile die Decke an, bevor sie mir in die Augen sah. » Sind wir Freundinnen?«
    Ich hatte nicht vergessen, wie Lena mich mehr als einmal gedeckt hatte, ohne mit der Wimper zu zucken. Als alle anderen beschlossen hatten, dass ich für Veritys Tod verantwortlich war, hatte sie das Gerede ignoriert, sich beim Mittagessen zu mir gesetzt und es doch nicht so wirken lassen, als ob sie mir damit nur einen Gefallen tat. Bis heute Nacht hatte sie mir meine Geheimnisse gelassen, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was für Geheimnisse sie wohl selbst hatte, wenn sie meine so bereitwillig hinnahm.
    Was für eine Freundin würde ich sein, wenn sie sich im Kreuzfeuer zwischen meinem Onkel und Ekomow wiederfand? Oder von Düsterlingen angefallen wurde? Es gab so vieles, was ich ihr nicht erzählen konnte, so vieles, vor dem ich sie nicht warnen konnte. Allerdings hätte sie heute Nacht genauso gut gehen können, als Colin angeboten hatte, sie nach Hause zu bringen. Die meisten Leute wären schreiend zur Tür hinausgerannt. Lena war geblieben. Vielleicht konnte sie damit umgehen. Vielleicht konnte ich ihr vertrauen.
    » Wir sind Freundinnen. Ich meine, das hoffe ich zumindest. Aber meine Familie …«
    » Du bist nicht deine Familie. Du musst die Akte lesen.«
    Ich spielte am Schubladengriff herum. » Ich weiß, wie die Geschichte ausgeht.«
    » Es geht nicht um das Ende«, erwiderte sie. » Das Ende kennt jeder. Du musst den Anfang sehen.«
    » Aber …« Ich habe Angst, wollte ich sagen und konnte es nicht.
    » Diese Typen heute Nacht hätten uns töten können.« Sie schauderte und nippte an ihrem Tee. » Jemand ist hinter dir her, und ich bin wirklich dankbar, dass Colin hier war, aber du kannst nicht einfach so weiterleben wie bisher. Wenn wir die Wahrheit herausfinden, können wir einen Weg finden, alles in Ordnung zu bringen.«
    Sie nahm den zweiten Teebecher von der Kommode, trug beide zu meinem Bett und ließ sich davor auf den Boden sinken.
    »

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