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Der Weg in Die Schatten

Titel: Der Weg in Die Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Weisman
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diesen lächerlichen Lügen mit schockierender Leichtigkeit. Ich konnte mir nicht vorstellen, wer diesen Narren geschickt haben sollte. Vielleicht war ja genau das die Absicht. Meiner Meinung nach war er für das Geschäft ungeeignet. Wahrscheinlich war er für die Welt ungeeignet.

Ich sah zur Bühne hinauf. Yasmine war durch ›Jenny and the Blast‹ ersetzt worden, eine freche junge Rockgruppe, die auf dem Sprung zum Starruhm stand. Obwohl ich Rockmusik im allgemeinen verachte, muß ich doch zugeben, daß die Truppe wirklich gut ist. Emily liebt sie. Und da stand sie auch, keine drei Tische entfernt, mampfte mit Schokolade überzogene Erdnüsse und hüpfte zur Musik hin und her. Sie sah so jung aus.

Jenny beendete gerade einen Song. Sie wirbelte herum, sprang hoch in die Luft und landete auf den Knien, wobei sie die Schlußnote mit glockenheller Reinheit traf. Sie hat eine unglaubliche Stimme, die für Mozart bestimmt sein sollte, nicht für ›Hot Samurai Lover‹.

»Mr. Ripper? Mr. Ripper?« Der Pinkel redete mit mir. Als ich mich ganz langsam zu ihm umdrehte, wußte ich ganz genau, wie böse ich mit der schwarzen Sonnenbrille aussah. »Jack … kann ich Sie Jack nennen? Ist diese Summe zufriedenstellend?«

»Nein«, sagte ich, obwohl ich sie nicht einmal verstanden hatte. Er begann zu schwitzen und zog einen schmierigen Stift aus der Jackentasche. Schnell schrieb er etwas auf seine kleine Barserviette. »Ich bin nicht befugt, höher zu gehen«, sagte er nervös lachend, als er mir den dünnen Fetzen Papier reichte.

Ich warf einen Blick auf die Zahl und schaffte es gerade noch, meine Überraschung zu verbergen. Es war ein Haufen Nuyen.

»Ja«, sagte ich. »Das reicht allemal.«

Aus den Augenwinkeln sah ich Emily einen kleinen Tanz mit den Fingern aufführen. Als ich dem Pinkel die Serviette zurückgab, verschwand sie in einem feurigen Blitz. Er schrie auf, stopfte sich die Finger in den Mund und sah mich mit ängstlichen, wütenden Augen an. Ich grinste, wobei ich meine Eckzähne aus Durenamel aufblitzen ließ. Sie sind fast einen Zentimeter länger als meine übrigen Zähne und nadelspitz.

»Ist das dann alles?« fragte ich freundlich.

»Ja, ja, das ist alles.« In seiner Hast zu verschwinden, stolperte er über seinen Stuhl. Ich sah zu, wie er die Bar verließ, winkte Emily zu und trank meinen Brandy aus. Gleich darauf erhob ich mich und verließ die Bar ebenfalls.

Ich glitt in die Gasse hinter der Ecke, um auf sie zu warten. Ein paar Minuten später gesellte sie sich in den Schatten zu mir. Lachend schlug sie mir auf die Schulter. »Wir haben ihn zu Tode erschreckt. Ich wette, er muß die Unterhosen wechseln.«

Ich küßte ihre winzige braune Hand. »Ich sehe schon, Sie sind heute wieder die Zurückhaltung in Person, Miss Entropy.«

Ich sah mißbilligend zu ihr hinunter und schüttelte den Kopf. Sie ließ sich nicht täuschen.

»Dir hat es doch auch gefallen, Deckhead.« Sie betrachtete mich eingehend. »Kommt ‘ne Menge bei ‘rum, stimmt’s?

Wann willst du den Run durchziehen?«

»Heute nacht«, sagte ich. »Definitiv heute nacht.«

»Tja, dann nichts wie eingestöpselt und los, Grimley!« sagte sie und trat mir gegen die Stiefel. Ich zuckte zusammen. Emily nennt mich gern Grimley Fiendish nach irgendeinem uralten und ganz entsetzlichen Rocksong. Sie nennt mich auch Jack die Bohnenstange und Jack die Nulpe. Einzigartige Emily. Sie riß mir meinen Zylinder vom Kopf und setzte ihn sich in ziemlich schiefem Winkel selbst auf.

Wir gingen zusammen die dunkle Straße entlang, und ich hatte Zeit, sie zu betrachten. Emily Entropy ist etwa einen Meter fünfzig groß und damit über einen Kopf kleiner als ich.

Ihre langen gewellten braunen Haare und riesigen braunen Augen lassen sie jünger als ihre zwanzig Jahre erscheinen. (Ich bin gerade siebenundzwanzig geworden, und Emily nennt mich einen Dinosaurier.) Ihr Körper besteht nur aus weichen, glatten Rundungen, die sie beharrlich unter ausgebeulten schwarzen Hosen und ihrer altersschwachen Lederjacke verbirgt. Sie ist die beste junge Straßenmagierin, die ich je gesehen habe. Bei einem Straßenkampf ist sie außerdem noch ein kleiner Teufel. Sie hat einziehbare Stahlkrallen, lange und gekrümmte wie bei einem Tier anstelle der üblichen flachen und doppelschneidigen. Für den Fall, wenn alles andere versagt, hat sie noch einen Revolver im Stiefel. (Sie sagt, ich sollte ebenfalls einen tragen, bedenke man das Ausmaß meiner Unfähigkeit im

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