Der Weg in Die Schatten
Azoth.«
»Bring ihn herein«, sagte Gwinvere.
Durzo sah sie an. »Was zur Hölle tut er hier?«
»Keine Ahnung.« Gwinvere war erheitert. »Ich nehme an,
dass er, wenn er die Art Junge ist, die du zu einem Blutjungen formen kannst, nicht ohne eine gewisse Findigkeit sein kann.«
»Verdammt, es ist noch keine drei Stunden her, seit ich ihn verlassen habe«, murmelte Durzo.
»Na und?«
»Und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn töten würde, wenn ich ihn ohne einen Beweis anträfe. Du weißt, ich kann keine müßigen Drohungen aussprechen.« Duzro seufzte. »Du könntest recht gehabt haben, aber jetzt liegt die Angelegenheit nicht mehr in meiner Hand.«
»Er ist nicht deinetwegen hier, Durzo. Er ist hier, um mich zu sprechen. Also, warum machst du nicht deinen kleinen Schattentrick und verschwindest?«
»Meinen kleinen Schattentrick?«
»Sofort, Durzo.«
Die Tür öffnete sich, und ein blutender, jämmerlicher Knabe wurde hereingeführt. Aber obwohl jemand ihn furchtbar verprügelt hatte, hätte Gwinvere ihn aus tausend Gilderatten herausgelesen. Diese Gilderatte hatte Feuer in den Augen. Er stand hoch aufgerichtet, obwohl sein Gesicht aufgeschürft war und ihm Blut aus Mund und Nase sickerte. Er sah sie unerschrocken an, war aber entweder jung oder klug genug, um ihr in die Augen zu blicken statt auf ihr Dekolletee.
»Du siehst mehr als die meisten, nicht wahr«, sagte Momma K. Es war keine Frage.
Er nickte nicht einmal. Er war zu jung, um sich über ihre Neigung, Fragen als Feststellungen zu formulieren, lustig zu machen, daher lag noch etwas anderes in diesem entschlossenen Blick, mit dem er sie anschaute.
Natürlich. »Und du hast etwas Schreckliches mit angesehen, nicht wahr?«
Azoth blickte sie nur zitternd und mit großen Augen an. Er war der Inbegriff der nackten Unschuld, die jeden Tag im Labyrinth starb. Es rührte etwas in ihr, von dem sie gedacht hatte, es sei lange tot. Ohne auch nur ein Wort zu sprechen, wusste sie, dass sie dem Jungen die Umarmung einer Mutter anbieten konnte, einen sicheren Ort. Sie konnte ihm eine Zuflucht geben, selbst diesem Kind des Labyrinths, das wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nie im Arm gehalten worden war. Ein sanfter Blick, eine Berührung seiner Wange und ein Wort, und er würde in ihren Armen zusammenbrechen und weinen.
Und was wird Durzo tun? Vonda war gerade erst drei Monate tot. Er hatte durch ihren Tod mehr verloren als eine Geliebte, und Gwinvere wusste nicht, ob er sich jemals davon erholen würde. Wird er verstehen, dass Azoths Tränen ihn nicht schwach machen?
Um aufrichtig zu sich selbst zu sein, machte Gwinvere sich klar, dass sie Azoth nicht nur um seinetwillen in die Arme nehmen würde. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal jemanden in den Armen gehalten hatte, der für das Privileg nicht gezahlt hatte.
Und was wird Durzo tun, wenn er jetzt echte Liebe sieht? Wird es ihn menschlich machen, oder wird er sich sagen, dass Azoth zu schwach ist, und ihn lieber töten, als zuzugeben, dass er ihn braucht?
Sie benötigte nur eine Sekunde, um den Jungen zu durchschauen und ihre Möglichkeiten abzuwägen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Sie konnte es nicht tun.
»Also, Azoth«, fragte sie und verschränkte die Arme unter den Brüsten, »wen hast du getötet?«
Alles Blut wich aus Azoths Gesicht. Er blinzelte, als Furcht die drohenden Tränen plötzlich aus seinen Augen trieb.
»Und noch dazu der erste Mord«, fuhr Momma K fort. »Gut.«
»Ich weiß nicht, wovon Ihr redet«, sagte Azoth zu schnell.
»Ich weiß, wie ein Mörder aussieht.« Ihre Stimme war scharf. »Also, wen hast du getötet?«
»Ich muss mit Durzo Blint reden. Bitte. Wo ist er?«
»Genau hier«, erklärte Blint hinter Azoth. Azoth zuckte zusammen. »Und da du mich gefunden hast«, fügte Blint hinzu, »sollte jemand Bestimmtes besser tot sein.«
»Er...« Azoth sah Momma K an und fragte sich offensichtlich, ob er vor ihr sprechen konnte. »Er ist tot.«
»Wo ist die Leiche?«, verlangte Blint zu erfahren.
»Sie ist... sie ist im Fluss.«
»Also gibt es keinen Beweis. Wie bequem.«
»Hier ist Euer Beweis«, rief Azoth mit plötzlicher Wut. Er warf Durzo hin, was er in Händen gehalten hatte. Durzo fing es auf.
»Das nennst du einen Beweis?«, fragte Durzo. Er öffnete die Hand, und Momma K sah, dass ein blutiges Ohr darin lag. »Ich nenne es ein Ohr. Hast du je von einem Mann gehört, der durch den Verlust eines Ohres gestorben ist,
Weitere Kostenlose Bücher