Der Weg ins Glueck
warten.«
Eigentlich war das absurd, gegen jede Vernunft, unmöglich. Aber Rilla glaubte es trotzdem und Anne glaubte es auch; und Gilbert setzte zwar zum Schein ein spöttisches Lächeln auf, hatte aber auf einmal ein sonderbares Gefühl des Vertrauens, das das Gefühl der Verzweiflung verdrängte. So albern und an den Haaren herbeigezogen das auch sein mochte, sie alle fassten neuen Mut, nur weil ein treuer kleiner Hund am Bahnhof von Gien immer noch unerschütterlich auf die Heimkehr seines Herrchens wartete. Der gesunde Menschenverstand mag darüber spotten, die Ungläubigkeit mag es als »reinen Aberglauben« abtun, aber in ihren Herzen hielten die Ingleside-Bewohner an dem Glauben fest, dass Monday die Wahrheit wusste.
Gezeitenwechsel
Susan war untröstlich, als sie Zusehen musste, wie der schöne alte Rasen von Ingleside im Frühjahr umgepflügt wurde und stattdessen Kartoffeln gesetzt wurden. Aber sie protestierte nicht, selbst dann nicht, als sie ihr geliebtes Pfingstrosenbeet opfern musste. Als aber die Regierung die Sommerzeit zur besseren Nutzung des Tageslichts einführte, da sträubte sich Susan. Es gab eine höhere Macht als die Unionsregierung, der Susan Gehorsam schuldete.
»Finden Sie es richtig, sich in die Ordnung des Allmächtigen einzumischen?«, fragte sie den Doktor empört. Gilbert antwortete unbeirrt, dass man das Gesetz befolgen müsse, und so wurden die Uhren auf Ingleside entsprechend umgestellt. Nur über Susans kleinen Wecker hatte der Doktor kein Recht zu verfügen.
»Den habe ich von meinem eigenen Geld bezahlt, liebe Frau Doktor«, sagte sie bestimmt, »und der soll nach Gottes Zeit gehen und nicht nach Bordens.«
Susan richtete sich folglich mit dem Aufstehen und dem Zubettgehen nach »Gottes Zeit«, und wenn sie in ihrer Freizeit fortging, ebenso. Die Mahlzeiten servierte sie, wenn auch unter Protest, nach Bordens Zeit; auch ihre Kirchgänge musste sie wohl oder übel danach richten, was in ihren Augen der Gipfel des Unrechts war. Aber zum Beten und zum Hühnerfüttern zog sie wieder ihre eigene Uhr zu Rate, und so kam es, dass immer ein heimlicher Triumph in ihrem Blick lag, wenn sie dem Doktor begegnete. So hatte sie wenigstens teilweise ihren Kopf durchgesetzt!
»Mondgesicht-mit-Schnauzbart ist begeistert von der Idee mit der Sommerzeit«, sagte sie eines Abends zu Gilbert. »Kein Wunder, schließlich haben die Deutschen sie erfunden, nach dem, was ich gehört habe. Neulich hätte Schnauzbart fast seine gesamte Weizenernte verloren. Warren Meads Kühe waren ausgebrochen und stürmten sein Feld - genau an dem Tag, als die Deutschen den Chemain-des-Dames erobert haben, aber das mag auch Zufall sein -.jedenfalls richteten die Kühe eine ganz schöne Verwüstung an. Mrs Dick Clow hat es zufällig von ihrem Dachfenster aus gesehen. Zuerst dachte sie gar nicht daran, Mr Pryor zu verständigen. Sie sagte zu mir, sie hätte sich sogar hämisch darüber gefreut, wie die Kühe da genüsslich auf seinem Feld weideten. Das geschieht ihm Recht, dachte sie. Plötzlich aber fiel ihr ein, dass ja viel von der Weizenernte abhängt und dass sparen und dienen nichts anderes bedeutet, als dass die Kühe vom Feld vertrieben werden müssen. Also rief sie Schnauzbart an und sagte ihm, was los war. Statt eines Dankes bekam sie irgendeine dumme Bemerkung zu hören. Sie sagte mir, es hörte sich an wie ein Fluch, aber beschwören könnte sie das nicht, denn am Telefon kann man sich leicht täuschen; aber sie denkt sich ihren Teil, und das tue ich auch, doch den behalte ich lieber für mich, denn da kommt Mr Meredith gerade anmarschiert. Schnauzbart ist einer seiner Kirchenältesten, da bin ich lieber still.«
»Seid ihr auf der Suche nach dem neuen Stern?«, fragte Mr Meredith, als er Miss Oliver und Rilla zwischen den blühenden Kartoffeln stehen und himmelwärts starren sah.
»Ja, und wir haben ihn auch gefunden. Sehen Sie, er steht genau über der Spitze dieser uralten Pinie.«
»Ist es nicht herrlich, etwas zu betrachten, was vor dreitausend Jahren entstanden ist?«, fragte Rilla. »Die Sternforscher glauben, dass zu jener Zeit eine Kollision stattgefunden hat, aus der dieser neue Stern hervorgegangen ist. Im Vergleich dazu komme ich mir schrecklich unscheinbar vor«, fügte sie staunend hinzu.
»Aber auch so ein Ereignis macht die Tatsache, dass die Deutschen wieder nur einen Sprung von Paris entfernt sind, nicht unbedeutender. Von den Sternen aus betrachtet, sähe es vielleicht ganz
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