Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
»Too-ny.«
»Entschuldige, junger Mann. Manchmal bin ich etwas schwer von Begriff.«
»Freund«, sagte Cabby.
»Tony?«, wiederholte sie.
Cabby nickte heftig und zeigte auf Maggies Brust. »Too-ny. Freund.«
»Tony ist dein Freund?« Sie sagte es langsam, verwundert.
Cabby nickte und klopfte sich auf die Brust. »Freund.« Damit betrachtete er seine Mission offenbar als erfüllt, umarmte Maggie und eilte in Richtung Küche davon.
Maggie lehnte sich verwirrt gegen die Wand. Sie beschloss, das Geheimnis zu entschlüsseln, während sie auf dem Klo saß.
Tony, der diese Szene zwischen Cabby und Maggie miterlebt hatte, war noch verblüffter als sie. Wer war dieser Junge, und wie war es möglich, dass er all diese Dinge wusste? Doch nun sah er sich wieder jenem Dilemma gegenüber, durch das der ganze Aufruhr ursprünglich entstanden war. Wer hätte gedacht, dass ein simpler Toilettengang solche unerwarteten Konsequenzen nach sich ziehen konnte?
In diesem Moment erinnerte sich Tony an das, was Großmutter gesagt hatte: dass er sich in schwierigen Situationen »umdrehen« sollte. Er versuchte, dies mental zu tun, aber nichts geschah. Der kleine Tanz, dachte er, diese Vierteldrehung. Er probierte es und stellte fest, dass er sich tatsächlich »umdrehen« konnte. Er schaute nicht mehr durch das »Augenfenster«, sondern in die Dunkelheit dahinter.
Es dauerte einen Moment, bis er sich an das dort herrschende Dämmerlicht gewöhnt hatte, aber dann entdeckte er zu seiner Überraschung, dass er an der Rückseite eines großen Zimmers stand, fast als stünde er mit dem Rücken vor den Fenstern dieses Raumes, vor denen sich wechselnde Szenen abspielten. Jemand hatte ihm einmal gesagt, die Augen seien die Fenster der Seele, und vielleicht stimmte das tatsächlich. Nun blickte er von diesen Augen aus in Maggies Seele. Aus dem Badezimmer hinter ihm fiel Licht herein, das undeutliche Schatten auf die weit entfernte gegenüberliegende Wand warf. Offenbar hingen dort viele Fotos und Bilder. Aber sie waren so weit entfernt, dass er sie nicht klar erkennen konnte.
Später würde er sich den Raum genauer ansehen, aber einstweilen spürte er, dass Maggie fertig war. Also drehte er sich wieder hüpfend um.
Maggie beschloss, zunächst einmal die Reste des Make-ups zu entfernen. Sie schaltete auf Autopilot – weibliche Routine, die darin bestand, prüfend hinzuschauen, wegzuwischen, wieder zu inspizieren, noch mehr zu wischen und zu tupfen, und dann endlich die Erleichterung, die sich einstellt, wenn alle Öle und Farben entfernt sind.
Als Nächstes nahm sie ihr Tropfen-Amulett und ihre Ringe ab, alle fünf. Sie legte den Schmuck in die Schublade des Frisiertischs, an dem sie saß, jedes Teil an seinen Platz. Dabei bemerkte sie, dass ein Ohrring fehlte. Er gehörte zu einem Paar billiger Edelsteinohrringe, die ihre Mutter ihr geschenkt hatte, ein persönliches Geschenk von einer Frau, die fast völlig mittellos lebte. Wahrscheinlich hatte sie ihn bei ihrem Sturz in der Kirche verloren. Sie würde gleich morgen früh dort anrufen und bitten, dass man danach suchte. Vielleicht würde sie sogar selbst die Staubsauger überprüfen müssen. Aber im Moment konnte sie in der Sache nichts unternehmen. Die Kirche war geschlossen und zugesperrt. Sie verließ ihr Badezimmer und ging hinüber zur Küche, in freudiger Erwartung des Cocktails.
Molly hatte den Lemon Drop vorbereitet, gekrönt von einem Zuckerrand, der dem ersten Schluck etwas von seinem scharfen Biss nahm. Langsam und angenehm floss er durch ihre Kehle. Maggie kuschelte sich in einen der beiden großen Sessel, Molly in den anderen, mit ihrer abendlichen Tasse Tee, in der noch der Beutel hing. Cabby lag bereits behaglich im Bett.
Molly grinste spitzbübisch. »Na«, sagte sie, »dann mal los! Ich will die ganze Geschichte hören, mit allen gruseligen Details.«
Also legte Maggie los, bis sie beide prusteten wie zwei Schulmädchen und sich vor Lachen den Bauch hielten. Molly trank inzwischen ihren dritten Tee, während Maggie noch an ihrem ersten Lemon Drop nippte. Sie mochte den Geschmack des Alkohols, aber diese Bestie hatte in ihrer Familie großen Schaden angerichtet, und sie hatte nicht die Absicht, dem Alkohol mehr Aufmerksamkeit zu widmen als ein gelegentliches freundliches Kopfnicken im Vorübergehen.
»Maggs, was ich nicht verstehe«, sagte Molly, »ist die Sache mit diesem Tony. Hast du eine Idee, wer das sein könnte?«
Maggie schüttelte den Kopf. »Du meinst,
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