Der Weg zum Glueck ist ausgeschildert
mich einzurichten und neu zu orientieren. Ich spielte damals viel Basketball, fuhr zu Turnieren und habe mit Freunden den Verein »Ambulante Rehahilfe e.V.« gegründet, aus dem ich wegen interner Probleme bald ausstieg. Irgendwann reichte mir Sport als Lebensinhalt nicht mehr. Ich bewarb mich überall, wo zur Zielgruppe auch behinderte Menschen gehören: Möbelhäuser, soziale Einrichtungen, Arztpraxen, Krankenkassen. Und erhielt nur Absagen. Es kam auch ein Schreiben von der Fürst-Donnersmarck-Stiftung: Zur Zeit würde niemand gebraucht, sie würden aber gern auf meine Bewerbung zurückkommen. Ich dachte: Das kannst du vergessen! Nach einem dreiviertel Jahr wurde ich wirklich zum Vorstellungsgespräch für eine Urlaubsvertretung eingeladen. Meine Festeinstellung nach einem halben Jahr war Glück pur. Ich arbeite dort jetzt sechs Jahre, kann meine Fähigkeiten einbringen, keiner sieht mich als Quotenbehinderten. Die Gewissheit, gleichwertig zu sein und gebraucht zu werden, macht mich glücklich. Ich arbeite genauso wie die anderen, bin nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Wenn man selbst in einem Ordner nachschlagen kann und nicht einen Kollegen bitten muss, ihn aus dem Regal zu holen, setzt einen das in Freiheit. Die Unabhängigkeit ist das Wichtigste.
Ich liebe meinen Beruf, habe da lange alles reingeworfen. Ich mache ehrenamtlich Überstunden, aber seitdem ich meine Freundin habe, ist Arbeit nicht mehr das Wichtigste. Das Größte ist, eine gute Beziehung zu führen.
Als der Unfall passierte, hatte ich mich gerade von meiner Freundin getrennt. Ich hatte danach das Gefühl: Du bist kein Mann mehr. Was will eine Frau mit einem Rollstuhlfahrer? Ich war zwar aufgeschlossen für eine Beziehung, aber es ist ja schwierig, jemanden zu treffen, wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist und nicht weiß: Was erwartet eine Frau von dir? Ich habe auch nicht gezielt nach einer Partnerin mit einer Behinderung gesucht, ich wollte ein möglichst normales Leben. Vor sechs Jahren hatte ich eine einjährige Beziehung mit einer Bekannten meines Nachbarn. Es ging auseinander, weil meine Freundin letztlich nicht zu mir gestanden hat. Unsere Wochenendbeziehung spielte sich nur bei mir und an öffentlichen Orten ab. Wenn ich verliebt bin, will ich das doch herausschreien, allen zeigen: Hier ist jemand, mit dem ich glücklich bin! Aber sie hat meine Behinderung von ihrem Kind und ihrer Familie ferngehalten.
Meine jetzige Freundin habe ich vor zwei Jahren im Eiscafé kennengelernt. Sie saß mit einer Freundin im Café, in einem Rollstuhlstandardmodell, und sprach mich an, was für einen schicken Rollstuhl ich hätte und wo es den gäbe. Ich schrieb die Adresse auf und habe ihr Interesse an mir gar nicht registriert. Meine Begleiterin, die Mutter eines Praktikanten, sagte zu mir: »Hast du keine Augen im Kopf? Sie will dich kennenlernen.« Da nahm ich allen Mut zusammen und gab ihr meine Telefonnummer, falls sie wegen des Rollstuhls Fragen hätte. Ich legte da keine Hoffnungen rein, aber zwei Tage später rief sie an, und es war ein richtig tiefes Gespräch. Wir haben gleich über viel Persönliches geredet, bei mir hat es schon gekribbelt. Die Abstände zwischen unseren Anrufen wurden immer kürzer, alles Weitere hat sich dann entwickelt.
Mein größtes Glück ist, meine Freundin zu sehen, mit ihr Zeit zu verbringen. Jeden Tag freue ich mich auf sie. Ich liebe sie und fühle mich geliebt, doch es ist gut, dass jeder noch einen Rückzugsbereich hat, da sie sehr mit ihrem Schicksal hadert. Meine Freundin ist 37 , sie kann mit zwei Gehstützen laufen, sie lebt mit ihrer Mutter in einem Haus, die ihr viel abnimmt. Ihre depressive Seite habe ich erst nach und nach erkannt.
Ich mache Probleme erst einmal mit mir ab. Wenn sich viel aufstaut, reicht allerdings oft eine Kleinigkeit aus, damit ich sauer werde. Zum Beispiel, wenn ich für meine Freundin ein schönes Frühstück vorbereitet habe und sie nicht aus dem Bett kommt. Ich beschäftige mich dann eine Weile am Laptop, lese ein Buch, aber wenn ich dann noch immer warten muss, explodiere ich. Ich bin nicht ihr Animateur und nicht ihr Pfleger, muss mich auch gegen ihre Depression schützen, indem ich sage: »Stopp, nicht weiter!« Sie orientiert sich zu sehr an anderen, sieht immer das Leben, das sie nicht mehr führen kann. Wenn ich mehr finanzielle Mittel hätte und meine Freundin seelisch stabiler wäre, könnte ich mir ein, zwei Kinder vorstellen. Körperlich wäre es möglich, aber
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