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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaspar Dornfeld
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auf eine Anzeige warten. Sie verstehen?«
    »Ich verstehe genau.«
    »Heute hat mich Mechthild zurückgerufen und versprochen, zu tun, was sie kann, wenn ich ihr im Gegenzug für ein paar Tage unsere Tochter abnehme.«
    »Was?« Wedelbeck blieb der Mund offen stehen.
    »Belinda. Mechthild und ihr Neuer wollen übers Wochenende weg, und da sich meine Kleine mit dem momentanen Bettgenossen meiner Ex-Frau nicht sonderlich gut versteht, soll sie so lange zu mir.«
    »Großer Gott! Reemund. Wie oft sehen Sie Ihre Tochter pro Jahr?«
    »An allen Feiertagen. Für ein paar Stunden.«
    »Großartig!«
    »Was regen Sie sich so auf? Die Kleine vergöttert mich. Das wird schon.«
    »Das Mädchen kennt Sie ja auch kaum. Da ist das einfach.«
    Reemund überging das.
    Der obdachlose Herr Wassermann hatte seine eigenen Gedanken zum Thema.
    »Habe ich das richtig verstanden, dass Sie für ein Kind einkaufen?«
    Der Kommissar nickte.
    »So geht das aber nicht. Für Kinder sollte man immer nur das Beste nehmen. Warten Sie.«
    Er beugte sich über den Einkaufswagen und wühlte einen Großteil der Dinge, die Reemund zu kaufen gedachte, wieder heraus.
    »Ich tausche das um gegen bessere Sachen, und Sie gehen schonmal zur Kasse.«
    »Das ist wirklich nicht nötig, Wassermann.«
    »Doch ist es. Außerdem macht es mir Spaß, wenn mich die Leute hier anglotzen. Hopp, hopp. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Wie zur Bekräftigung ließ seine Katze ein kurzes krächziges Miauen hören.
    An der Kasse stieß er wieder zu uns, beladen mit allerlei Dingen, von denen einige wirklich sehr teuer aussahen. Der Kassierer, ein blutjunger Mann, starrte auf den übervollen Einkaufswagen, dann auf Reemund. Er runzelte die Stirn und sah zu einem Zeitungsständer neben sich, auf dem eine Auswahl subseriöser Gazetten auslag. Auf allen prangte ein Bild des Kommissars, der gerade den Kopf von Eduard Koss in den Blumenkasten legte. Der abgetrennte Körperteil war graphisch unkenntlich gemacht worden, was die Obszönität der Situation jedoch um nichts schmälerte. Eine Zeitung trug in dicken roten Buchstaben die Überschrift »Kommissar Kopflos«.
    »Darf ich ein Autogramm von Ihnen haben?«, hauchte der Kassierer fast ehrfürchtig. Berühmt ist berühmt.
    »Ich kann Ihnen eins auf die Zähne schreiben«, knurrte Reemund und begann, den Warenberg auf das Fließband zu hieven.
    *
    Ein paar Minuten später hatte Wassermann vier prall gefüllte Einkaufstaschen in den Händen. Die Katze hing träge um seinen Hals.
    »Danke Herr Kommissar«, sagte er. »Ich mag Sie.« Und zu Wedelbeck gewandt fügte er hinzu: »Sie übrigens auch. Wenn ich Ihnen mal helfen kann, ich bin leicht zu finden.«
    »Kennen Sie vielleicht einen Obdachlosen, der gern Pfefferminzlikör trinkt, einen dichten Bart hat und eine Flüsterstimme?«
    »Ich verkehre ungern mit Trinkern. Das macht nur Ärger. Außerdem haben viele einen Bart. Die Flüsterstimme kommt vom Saufen und von der Kälte, oder vom Schreien. Und am Getränk kann man auch keinen erkennen. Diese Leute saufen, was sie kriegen können.«
    Damit drehte er sich um und ging davon.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Wedelbeck.
    »Wir bringen die Einkäufe zu mir, dann gehen Sie wieder weg, und ich warte auf meine Tochter.«
    Die zwei Polizisten, vollgepackt, wie sie waren, bewegten sich wie zwei alte Leute beim Pfandflaschenwegbringen.
    »Soll ich nicht lieber kochen, Reemund? Wäre doch schade um die teuren Lebensmittel.«
    »Schnauze, Wedelbeck!«
    * * *

KAPITEL 5 - NACHT
NACHT: der Zeitraum zw. Sonnenunter- und -aufgang; seine Dauer hängt von der geograph. Breite des Beobachtungsortes und von der Jahreszeit ab.
    (Brockhaus-Enzyklopädie, 20. Auflage, 1998)
    »Wie ist es in der Schule?«, fragte Reemund und schnitt sich in den Finger. Zum dritten Mal seit dieser Zwiebel. Die Anwesenheit seiner Tochter brachte ihn mehr aus der Fassung, als er verbergen konnte. Dabei hatte er eine halbe Stunde vorher noch völlig gelassen gewirkt. Seine Ex-Frau hatte das Kind vorbei gebracht, zusammen mit einer langen Liste von Dingen, auf die Reemund unbedingt zu achten habe. Das verräterische Dokument des Schuldgefühls einer Mutter, die glaubt, ihr Kind für drei Tage in der Hölle zurückzulassen. Die Liste enthielt strikte Anweisungen, was Belinda essen dürfe und was nicht, worauf sie unter Umständen allergisch sei, wie oft und wie lange sie sich die Zähne zu putzen und zu spülen habe, wie lange sie aufbleiben dürfe, sowie alle

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