Der Weg zur Hölle
ganz hinten. Hinter seinen beschissenen Kettensägen. Ganz verdreckt und vergessen! In dem Moment habe ich beschlossen, ihn umzubringen.«
»Wie sind Sie auf Meyer gekommen?«
»Das Schwein. Der Kerl war doch immer bei uns. Und dann prahlte er rum, wie gut er seine Frau und seine Tochter im Griff hat und dass er sie schlägt, wann immer er Lust dazu hat. Er hatte es verdient. Und als ich dann auch noch hörte, dass Koss eine seiner widerlichen Sendungen ausgerechnet über ihn und seine Familie machen würde … Das passte doch alles zusammen, oder etwa nicht?«
Reemund sah den anderen lange an, bevor er etwas sagte.
»Sie haben mir nicht aus Versehen geholfen, den Fall zu lösen«, sagte er. »Sie hatten Angst, dass ich recht haben könnte mit meiner Theorie vom frischgebackenen Serienmörder, der nicht mehr aufhören kann?«
Wassermann presste die Lippen aufeinander und nickte.
»Und als wir Meyer nicht verhaftet haben …?«
»Da hab ich mich selbst um ihn gekümmert.«
»Wie genau haben Sie Koss umgebracht?«
Wassermann zuckte mit den Schultern.
»Ich habe gewartet, bis er nach Ausstrahlung der Sendung mit Meyer mal wieder draußen geschlafen hat. Dann habe ich aus seinem Schuppen ein bisschen von dem Zeug geholt. Der hatte ja alles da. Auch Schlaftabletten und Betäubungsmittel und sogar Spritzen. Ich hab ihm im Schlaf einen Cocktail verpasst, aus allem, was man flüssig machen konnte. Aber als er dann vor mir lag, da hat's mir nicht gereicht. Ich habe ihn rausgeschleppt, auf den großen Block gelegt, wo er immer das Brennholz zerkleinert hat. Und dann habe ich eine Säge geholt, und ihm den Kopf abgesägt. Es war widerwärtig. Aber ich fand's passend.«
Wassermanns Katze streckte ihren Kopf aus seiner Manteltasche und miaute kläglich. Er streichelte sie sanft unterm Kinn. Das Tier schloss die Augen und schnurrte.
»Was wird aus ihr?«, fragte er.
Reemund beugte sich zu Kojun hinüber.
»Wie wärs?«, fragte er. »Behinderte und Haustiere. Das macht sich immernoch gut in der Presse.«
»Ich hab Katzenhaarallergie«, knurrte Kojun.
Wassermann wandte sich ebenfalls zu dem Mann im Rollstuhl um.
»Sind doch kaum noch Haare dran.«
»Eben«, sagte Reemund. »Aber im Moment behalten Sie sie erstmal. Dann sehen wir weiter.«
»Müssen Sie mir Handschellen ummachen?«
»Ich denke, das geht auch so.«
Er pfiff, und aus den umliegenden Sträuchern erhob sich eine ganze Reihe durchgefrorener Uniformierter, die aussahen wie eine Schar zum Leben erweckter Toter.
*
Koss starrte bewegungslos den Polizisten hinterher, die sich langsam entfernten. Während sie verschwanden, hörte man Wassermann leise vor sich hinreden.
»Da muss doch was gewesen sein! Ich bin ganz sicher! Irgendetwas hat er gemacht!«
Ich tippte Koss auf die Schulter, und als wäre das ein Anschaltknopf gewesen, ruckte er herum und sagte: »Ich will zu meiner Tochter.«
»Das lassen Sie bitte bleiben. Sie dürften doch mittlerweile begriffen haben, dass es nichts gibt, was Sie für sie tun können. Für Ihre Tochter nicht und für sich selbst schon garnicht. Jedenfalls nicht so.«
»Ich bin ihr Vater, verdammt nochmal!«
Ich packte ihn bei den Schultern.
»Begreifen Sie endlich! Sie sind jetzt niemandes Vater mehr! Sie sind nur noch ein Toter, der sich daran gewöhnen muss. Genauso wie Milliarden Menschen vor und nach Ihnen. Ihre Tochter wird irgendwann sterben, genau wie Sie, und dann wird sie wahrscheinlich nichts mehr von Ihnen wissen.«
Ich überlegte, ob ich ihm von der Begegnung mit seiner Stieftochter erzählen sollte, aber ich ließ es bleiben.
»Sie haben jetzt immerhin eine Ahnung davon, wer Sie gewesen sind. Mehr nicht. Das muss reichen. Schließlich ist das schon mehr, als fast jeder andere Geist vor Ihnen hatte.«
»Und was habe ich davon?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht garnichts. Vielleicht hilft es Ihnen aber auch dabei, sich vorzustellen, was Sie noch werden könnten. Und das wäre dann schon wieder etwas, das Sie anderen Geistern voraus hätten.«
Er lächelte freudlos.
»Vor allem Ihnen?«
Ich ließ ihn los.
»Ihre penetrant zur Schau gestellte Überlegenheit geht mir auf die Nerven, Koss. Wir verabschieden uns jetzt und hier. Mehr hab ich Ihnen nicht zu geben. Machen Sie, was Sie wollen. Ich hab Ihnen eine kleine Last weggenommen, und Ihnen womöglich eine andere aufgebürdet. Vielleicht bringt es was, vielleicht nicht. Vielleicht erspart es Ihnen auch nur die Qual, sich einen neuen Namen
Weitere Kostenlose Bücher