Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weg zurück

Der Weg zurück

Titel: Der Weg zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.M. Remarque
Vom Netzwerk:
allen Unruhen dabei zu sein; ewige Landsknechte, die jede Verbindung verloren hatten und geradezu Angst davor hatten, wieder ins bürgerliche Leben zurückzumüssen – die letzten, härtesten Schlacken des Krieges. Dazwischen ein paar Idealisten und ein Haufen neugieriger, abenteuersüchtiger junger Burschen. Das alles verhetzt, verbittert, verzweifelt und missbraucht gegeneinander. Ja, und dann …«
    Er schweigt eine Weile und starrt vor sich hin. Ich betrachte von der Seite sein Gesicht. Es ist nervös und zerrissen, und die Augen liegen in tiefen Schatten. Dann gibt er sich einen Ruck. »Warum soll ich es dir nicht sagen, Ernst. – Ich habe lange genug darauf herumgekaut. Eines Tages hatten wir ein Gefecht. Es hieß, gegen Kommunisten. Aber als ich die Toten dann sah, Arbeiter, einige noch in ihren alten Frontröcken und ihren Militärstiefeln, frühere Kameraden, da riss etwas in mir. Ich habe mal mit meinem Flugzeug eine halbe Kompanie Engländer weggeknallt – es hat mir nichts gemacht, Krieg war Krieg. Aber diese toten Kameraden in Deutschland – erschossen von früheren Kameraden – aus, Ernst!«
    Ich muss an Weil und Heel denken und nicke.
    über uns beginnt ein Buchfink zu schlagen. Die Sonne wird abendlich und goldener. Rahe zerbeißt eine Zigarette. »Ja, und dann – dann fehlten etwas später plötzlich bei uns zwei Leute. Angeblich sollen sie den Plan gehabt haben, ein Waffenlager zu verraten. Kameraden hatten sie ohne Untersuchung nachts im Walde mit Kolben erschlagen. Feme nannte man das. Einen der Toten habe ich als Unteroffizier im Felde gehabt. Eine Seele von Kerl. Da habe ich alles hingeschmissen.« Er sieht sich um. »Das ist daraus geworden, Ernst. – Und damals – damals, als wir rausgingen, was war das für ein Wille und ein Sturm!« – Er wirft die Zigarette weg. »Verdammt, wo ist das alles geblieben!« Dann sagt er nach einer Weile leise: »Das möchte ich noch wissen, Ernst – wie so etwas daraus werden konnte. –«
    Wir stehen auf und gehen zwischen den Platanen entlang dem Ausgang zu. Die Sonne spielt in den Blättern und flirrt über unsere Gesichter. Es ist alles so unwirklich – das, was wir sprechen, und die weiche warme Luft des Spätsommers, die Amseln und der kalte Hauch der Erinnerung.
    »Was machst du denn jetzt, Georg?«, frage ich.
    Er köpft im Weitergehen mit seinem Spazierstock die wolligen Schöpfe der Disteln. »Ich habe mir alles angesehen, Ernst – Berufe, Ideale, Politik –, aber ich passe in diesen Betrieb nicht hinein. Was ist da schon – überall Schieberei, Misstrauen, Gleichgültigkeit und grenzenloser Egoismus. –«
    Ich bin etwas erschöpft vom Gehen, und wir setzen uns. Die Türme der Stadt schimmern grün, die Dächer rauchen, und silbern zieht der Dampf aus den Schornsteinen. Georg deutet hinunter: »Wie Spinnen lauern sie da in ihren Büros, ihren Läden, ihren Berufen, jeder bereit, den anderen auszusaugen. Und was hängt noch sonst alles über ihnen – Familien, Vereine, Behörden, Gesetze, Staat! Ein Spinnennetz über dem anderen! Gewiss, man kann das Leben nennen und stolz darauf sein, vierzig Jahre darunter herumzukriechen. Aber ich habe im Felde gelernt, dass Zeit für das Leben kein Maßstab ist. Wozu soll ich also vierzig Jahre absteigen? Jahrelang habe ich alles auf eine Karte gesetzt, und der Einsatz war immer das Leben – jetzt kann ich nicht um Pfennige und kleine Fortschritte spielen.«
    »Du warst im letzten Jahr nicht mehr im Graben, Georg«, sage ich, »bei den Fliegern mag das anders gewesen sein. Wir aber haben oft monatelang keinen einzigen Feind gesehen, wir waren nur Kanonenfutter. Da gab es nichts einzusetzen – da gab es nur Warten, bis man seinen Schuss kriegte.«
    »Ich spreche ja nicht vom Kriege, Ernst – ich spreche von der Jugend und von der Kameradschaft. –«
    »Ja, das ist vorbei«, sage ich.
    »Wir haben wie im Treibhaus gelebt«, sagt Georg nachdenklich. »Heute sind wir alte Leute. Aber es ist gut, wenn man Klarheit hat. Ich bedaure nichts. Ich schließe nur ab. Alle Wege sind mir verstellt. Es bliebe nur Vegetieren. Aber das will ich nicht. Ich will frei bleiben.«
    »Ach, Georg«, rufe ich, »was du sagst, ist ja ein Ende! Es muss aber doch auch für uns noch einen Anfang geben! Ich habe es heute gespürt. Ludwig wusste ihn, aber er war zu krank. –«
    Er legt mir den Arm um die Schultern. »Ja, ja – werde nur nützlich, Ernst. –«
    Ich lehne mich an ihn. »Wenn du es sagst, klingt es hässlich

Weitere Kostenlose Bücher