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Der weibliche Weg Gottes

Der weibliche Weg Gottes

Titel: Der weibliche Weg Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Gerland
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gab die Kirche ihren Segen. Es fällt nicht nur schwer, den Glauben von der Institution Kirche zu trennen, auch die Gegenwart von der Vergangenheit, die politischen Aktivitäten vom Inhalt der Lehre.
    Die Gemeinde singt, der Priester scheint einen Segen auszusprechen. Ich bin tief in meiner Abwehr versunken. Das Einzige, was das Hiersein lohnt, sind meine warmen Füße. Also neige ich meinen Kopf, weil es hier alle tun und schaue auf meine Hände, lasse die Abwehr los, höre den Klang der Stimme und versuche, mit meinen Gedanken im Jetzt zu bleiben.
    Plötzlich taucht eine Hand in meinem Gesichtsfeld auf, nähert sich meinen Händen, eine ausgestreckte, kurze, breite, kräftige, schwielige Männerhand. Ich schrecke auf, schaue hoch. Mein Vordermann hat sich auf seiner Bank umgedreht und hält mir die Hand hin. Irritiert schaue ich um mich. Zu meiner Rechten und Linken geben sich die Menschen die Hand. Erst jetzt ergreife ich die mir dargebotene, schaue in das dazugehörige Gesicht und sehe ein kurzes Aufblitzen in den braunen Augen eines Mannes, der viel draußen arbeitet, wie man sieht. Zaghaft und unsicher ergreife ich seine, Hand und fühle die Schwielen beim kurzen Händedruck. Ein Mann, der vielleicht gerade noch gearbeitet hat, jetzt sitzt er hier und gibt einer fremden Frau die Hand. Ich bin ganz gerührt. Meine Nachbarin schaut mich an, lächelt und gibt mir ebenfalls ihre Hand.
    Ich gehöre dazu, sie haben mich einfach aufgenommen. Sie geben mir ihre Hand und damit Wärme und Verbundenheit, dabei habe ich sie, mich und das, was hier passiert, gerade abgewertet. Ich war froh, nicht verstehen zu können, weil ich dadurch meinen Widerständen für kurze Zeit ausweichen konnte, so war mein Herz offen. Dort hat mich diese Hand erreicht, an der Stelle, die so weh tut, so voller schlecht verheilter Wunden ist. Ich kämpfe gegen die Tränen in meinen Augen. Bloß nicht heulen jetzt. Das geht hier wirklich keinen etwas an, wie es mir geht, ich will kein Mitleid, ich will Distanz. Ich bin nicht bereit, jemanden in meine Einsamkeit schauen zu lassen, weil ich nicht über die Vergangenheit sprechen will, mein Heulen selbst nicht mehr ertragen kann, es ein Ende haben soll.
    Beim Rausgehen fällt mein Blick zur Seite, auf Maria. Es ist dunkel in ihrer Ecke, ich kann sie nur schemenhaft erkennen. Sie lächelt ihr geheimnisvolles Madonnenlächeln, irgendwie entrückt und doch ganz zugewandt. Ein Impuls sagt „geh zu ihr“. Aber ich entscheide mich dagegen, warum sollte ich. Sie ist doch nur eine Statue.

Maria mit dem Kinde

    Walther und ich trennen uns nach 180 Kilometer in Puenta la Reina auf der Brücke über den Rio Arga sehr stilvoll genau auf der Mitte. Wir nehmen uns in den Arm, danken uns gegenseitig für die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, und die gegenseitige Unterstützung bei der Wanderung. Als ich die Brücke wieder verlasse und mich umsehe, ist er bereits meinen Blicken entschwunden. Ich bin mir sicher, wir werden uns auf dem Camino nicht mehr sehen.
    Während Walther seinen Weg fortsetzt, mache ich zunächst drei Tage Pause und fahre nach Pamplona, um auf Angelika zu treffen, die erst jetzt aus Deutschland anreist. Wir wollen gemeinsam nach Puenta la Reina fahren, wo sie ihre Wanderung beginnen will und ich meine fortsetzen werde. Ich wähle ein schönes Hotel in Citylage mit Lounge, einem charmanten Mitarbeiter an der Rezeption, der perfekt englisch spricht und den Fahrstuhl. Das Zimmer ist warm, das Wasser heiß, die Handtücher kuschelig — perfekt. Hier halte ich es aus. Außerhalb des Hotels friere ich erbärmlich, nur lausige 11°, dabei ist jetzt schon Anfang Mai.
    Auf meinen Streifzügen durch die Stadt wärme ich mich lange im Museum neben der Kathedrale auf. Bei besserem Wetter hätte ich diese Abteilung vielleicht nur mit einem Blick gestreift, so aber stehe ich lange vor einer Ansammlung von Marien mit dem Kinde aus vergangenen Jahrhunderten. Die Skulpturen sind aus Holz, farbig bemalt, die Gesichter platt und nichtssagend. Maria ist meist breithüftig, schmalbusig und asexuell dargestellt. Das Jesuskind hat einen kleinen, dicklichen, wohlgenährten Körper und die Gesichtszüge eines Erwachsenen. Es balanciert die Weltkugel auf der Hand und manchmal auch recht abenteuerlich auf Marias Arm. Nach der Jungfrau in Lourdes jetzt die Mutter in Pamplona. Sie hat dieses Kind gesäugt, gesäubert, gepflegt, gefüttert, behütet. Und sie hat mit im gespielt, gesungen, gelacht, geschmust,

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