Der weibliche Weg Gottes
geschimpft, bestimmt auch mal geknufft. Es wird nicht immer ganz konfliktfrei zugegangen sein in der ersten christlichen Familie.
Das Gemälde von Max Ernst kommt mir in den Sinn: Bei den Nazarenern gibt's Zoff. Die Nachbarn schauen zum Fenster rein und auf eine häusliche Szene. Eine schöne, stolze Frau im leuchtend roten Kleid, vollbusig, mit Dekolletee hat ihren Filius übers Knie gelegt. Einen Blondschopf, auf dessen Hinterteil sich schon eine zarte Rötung zeigt. Die Frau hat die Hand zum nächsten Schlag erhoben, ihr Gesicht drückt ruhige Entschlossenheit aus, über ihrem Kopf schwebt ein schmaler Heiligenschein. Das Kind windet sich auf ihren Knien, sein Heiligenschein, ist etwas kräftiger, liegt aber jetzt in der Ecke.
Diese Skulpturen hier sind viele Jahrhunderte vorher entstanden, mit dem Darstellungsvermögen der damaligen Zeit und dem Selbstverständnis dieser Gesellschaft in Bezug auf Frauen. Die liebende, fürsorgliche, gebende, schweigende Frau. Hat sich da wirklich so viel geändert? Ich gehöre zu den privilegierten Frauen: Ich habe die richtige Hautfarbe, die akzeptierte Kreditkarte, die gute Ausbildung. Rings um mich herum die gleichen Frauen, auch auf dem Camino, in den Medien, bei meinen Freundinnen. Da entsteht leicht für einen Moment der irrige Eindruck, es habe sich etwas Entscheidendes für Frauen auf der ganzen Welt verändert. Es ist nur ein kleiner Teil von uns. Überall auf der Welt werden Frauen benutzt, um Systeme zu stabilisieren, die von Männern dominiert werden. Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter (Eph. 5,22). Die Mariendarstellungen konfrontieren mich mit Werten, gegen die ich immer noch rebelliere, wahrscheinlich, weil ich ihnen begegnet bin und ihre Konsequenzen kenne: Hingabe und Fürsorge.
Wenn die Anteile des Gebens zu groß werden, kommt es irgendwann zu Abhängigkeiten von Bindungen. Eine Seite gibt Fürsorge, Zeit, Aufmerksamkeit. Die andere übernimmt dafür den Part „Versorgung“. Meist geht das nicht auf Dauer gut, weil eine der Seiten meint, wichtigere Anteile zu geben als die andere Seite. Hinzu kommt, dass beide nicht aufhören wollen mit ihrem Part, weil über das Geben Selbstbestätigung eingeholt wird: Ich bin ein guter Mensch! Ich bin wichtig! Ich werde gebraucht! Irgendwann will eine Seite die Macht und steigt aus dem System „Geben und Nehmen“, das auf Gleichheit beruht, aus und verlangt Dankbarkeit und Unterordnung. Das System, das freiwillig und mit Liebe so gut funktionierte, gerät aus dem Gleichgewicht.
Hingabe und Fürsorge haben heute den Geschmack von Abhängigkeit bekommen, wenn das eigene Wohl weniger wert ist als das eines andern Menschen, wenn an einer kranken Beziehung festgehalten wird, obwohl sie die Beteiligten krank macht. Dann sind oft zwei Bedürftige zusammen. Einer ist süchtig nach Anerkennung, Geld, neuen Kicks oder was auch immer, der andere ist süchtig nach dem Partner. Dabei geht es doch gar nicht ohne Fürsorge, wenn die Kinder klein sind, jemand krank, bedürftig ist. Es ist wohl mehr eine Frage der Dauer.
Immer wenn ich mit Maria konfrontiert werde, denke ich zuerst an den Geschlechter-Konflikt. Wahrscheinlich, weil sie uns Frauen als leuchtendes Beispiel präsentiert wurde. Ist vielleicht auch Konkurrenzdenken mit im Spiel?
Irgendetwas zieht und ruft mich seit Beginn meiner Reise immer wieder zu dieser Gestalt. Ich war in vielen Kirchen in den letzten Tagen, und immer hat Maria meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Als Jungfrau, als junge Mutter, als verzweifelte Mutter und als Trauernde. Sie hat auch etwas mit mir zu tun, sie ist eine Frau, die glücklich war und gelitten hat. Durch unser Frausein und die Erfahrungen, die damit verbunden sind, entsteht so etwas wie ein erstes Verständnis für sie. Bei solchen Gedanken fühle ich mich ein wenig konfus, denn gleichzeitig kommen die alten Widerstände hoch gegen die Duldsame und Fügsame. Schluss damit. Also setzte ich meinen Weg durch die Stadt fort, etwas benommen noch.
Ich glaube, dass es für alles eine Zeit gibt und keine Zufälle. Wenn etwas ansteht im Leben, gibt es kein Entrinnen.
Die Pilgermuschel an den Häusern führt durch Straßen und Gassen. Ich biege um eine Hausecke und stehe auf einem großen Platz, vor dem Rathaus. Menschen bilden eine Kette vor dem Eingang und halten mit trotzigen Gesichtern ein Transparent. Heute morgen im Café habe ich das schreckliche Bild in der Zeitung gesehen. Die ETA hat gestern wieder Blut gefordert. Ein Mann
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