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Der Weihnachtsfluch - Roman

Der Weihnachtsfluch - Roman

Titel: Der Weihnachtsfluch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Er hatte das Gesicht eines Träumers, eines Mannes, der seine eigene Welt im Kopf hatte.
    Unweigerlich wollte Emily fragen, ob er noch lebte, und malte sich aus, was geschehen war, aber sie fürchtete die Antwort. Sie betrachtete die Gesichter um sie herum. Es waren reglose, ergriffene Gesichter, mehr noch, sie waren vom Schrecken gezeichnet.
    »Kennt ihn jemand?«, fragte Emily. Der Wind war plötzlich abgeflaut, sodass es klang, als ob sie die Männer anschreien würde.
    »Nein«, antworteten sie. »Nein …«
    Und doch hatte sie das Gefühl, die Männer hatten so
etwas erwartet. Es lag keinerlei Überraschung in ihrem Blick, keine Verwirrung, nur eine schreckliche Gewissheit.
    »Lebt er noch?«, fragte sie Father Tyndale. »Ja«, antwortete er. »He, Fergal, hilf mir, ihn über die Schulter zu legen, damit ich ihn zu Susannah bringen kann. Wir müssen ihn ins Warme und ins Trockene bringen. Maggie, kannst du mitkommen? Und Sie, Mrs. Radley, sicher auch, oder?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Emily. »Wir sind am nächsten dran, und wir haben auch viel Platz.«
     
    Susannah musste wohl schon auf gewesen sein, als sie am Haus ankamen, denn sie öffnete die Haustüre, noch bevor sie klopfen konnten. Der junge Mann wurde mühsam nach oben getragen. Die Füße in den Stiefeln und die tauben Hände stießen immer wieder ans Geländer an. Man legte ihn auf den Boden und bat die Frauen, hinauszugehen. Susannah hatte bereits ein Nachtgewand zurechtgelegt, wahrscheinlich eins von Hugo, das sie aufgehoben hatte. Emily fragte sich, ob Susannah seine ganze Kleidung behalten hatte.
    Das Bett war nicht bezogen, nur Decken lagen darauf. »Soll ich …«, fing Emily an.
    »Unter den Decken ist es wärmer«, unterbrach Susannah sie. »Laken tun wir später drauf, wenn er wieder gut durchblutet ist.« Sie blickte zu dem jungen Mann hinunter. In ihrem Gesicht standen Traurigkeit und Angst, so als ob etwas, das sie schon lange gefürchtet hatte, nun eingetreten war.

    Dann entschuldigten sich die Frauen und holten Teller mit heißer Suppe für die Männer und so viel trockene Wollkleidung und Socken, wie sie auftreiben konnten. Sie mussten wohl alle noch einmal zum Strand hinuntergehen. Es war durchaus möglich, dass weitere Lebende oder Tote angespült würden.
    Abwechselnd mit Maggie O’Bannion verbrachte Emily den Rest der Nacht damit, bei dem jungen Mann Wache zu halten, seine Hände und Füße zu rubbeln, die heißen, in Stoff gewickelten Ziegelsteine im Bett zu wechseln und darauf zu achten, ob er wieder zu Bewusstsein kommen würde. Keiner wusste, wie viel Wasser er geschluckt hatte, und auf seiner Brust, seinen Beinen und Schultern waren dunkle Flecken und Abschürfungen zu sehen, so als ob er immer wieder ans Wrack geschleudert worden wäre.
    »Ich kann doch nicht zwei Leute auf einmal pflegen«, sagte Maggie schnippisch, als Susannah kundtat, unbedingt helfen zu wollen. »Und Mrs. Radley auch nicht. Sie ist zu Besuch gekommen, nicht um zuzuschauen, wie Sie sich völlig sinnlos verausgaben.«
    Susannah gehorchte mit einem müden Lächeln. Bevor sie sich abwandte, traf ihr Blick kurz den Emilys.
    »Vielleicht war ich zu barsch zu ihr«, sagte Maggie schuldbewusst. »Aber sie ist …«
    »Ich weiß schon«, erwiderte Emily. »Nein, es war ganz richtig von Ihnen.«
    Maggie lächelte kurz und bückte sich dann, um ein paar heiße Steine in den Flanellstoff zu wickeln. Aber Emily war es nicht entgangen, wie angespannt Maggie
sich fühlte: sie hatte die Schultern hochgezogen und nervös mit den Augen geblinzelt.
    Später, gegen sechs Uhr morgens, hatte sich der junge Mann immer noch nicht gerührt, aber er fühlte sich eindeutig wärmer an, und sein Puls war stärker. Es war noch dunkel, und Emily machte sich auf, um den Männern, die unten an der Küste darauf warteten, dass das Meer weitere Menschen an Land spülte, mehr Whiskey und warmes Essen zu bringen.
    Durch das gelbe Licht ihrer Laternen konnte Emily sie leicht finden. Die Wellen krachten in riesigen Brechern auf den Sand und wurden mit der Flut immer gewaltiger. Lange, weiße Schaumzungen zischten ins Gras, als wollten sie die Wurzeln ausreißen.
    Zuerst ging Emily zu Father Tyndale. Im gelben Schein der Laterne sah er erschöpft aus. Eine große Gestalt, die jetzt mit zusammengezogenen Schultern und trübem Gesichtsausdruck dastand.
    »Ah, vielen Dank, Mrs. Radley.« Er nahm gerne das heiße Getränk an, trank aber nur wenig davon, um den anderen genügend übrig zu

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