Der Weihnachtsfluch - Roman
eiskalt an. Würde sich alles wiederholen? Würde Daniel auch getötet werden? Würde das Dorf noch weiter zugrunde gehen? Sie merkte, er hatte Recht, als er sagte, dass ihr Susannah nicht gleichgültig war, aber auch um ihn machte sie sich Sorgen.
»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Sie sind die ganze Nacht auf gewesen, um Susannah zu helfen. Sie haben sie leiden sehen und Sie wissen, dass Sie nichts für sie tun können, außer bei ihr zu sein und abzuwarten, und ich gehe Ihnen nicht einmal zur Hand. Ich hole
jetzt den Torf und mache Feuer und fange mit der Wäsche an. Das kann ja nicht so schwer sein. Aber zuerst frühstücken wir.«
Sie lächelte ihn an. Eine wohlige Wärme stieg in ihr hoch. Sie würde herausfinden, was mit Connor Riordan geschehen war, und sie würde unbedingt dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschähe, egal, wie schwierig das war, und welche Mühe es sie kostete.
Daniel und sie waren gerade mit der Bettwäsche fertig, als Father Tyndale kam. Sie hatten die Laken gemangelt, bis sie so trocken wie möglich waren, und hatten sie dann über die Trockenstange in der Küche gehängt, sie hochgezogen, sodass die warme Luft vom Ofen die Wäsche gut erreichte. Trotz der rosigen Farbe, die der Wind in sein Gesicht getrieben hatte, sah Father Tyndale müde aus. Der Wind schien ihm sehr zugesetzt zu haben und die Wärme in dem Raum trieb ihm die Tränen in die Augen.
»Ich gehe mit Ihnen zu Susannah hoch«, sagte sie, durch sein Kommen ungeheuer erleichtert. Seine pure Gegenwart nahm die Verantwortung von ihr. Solange er hier war, war sie nicht alleine. »Sie hatte eine schlimme Nacht. Wundern Sie sich also nicht, wenn sie schlecht aussieht. Ich bringe Ihnen beiden Tee hoch, sobald er fertig ist.«
»Danke.« Er blickte sie von nahem an, und sie wusste, er sah ihr die Erschöpfung und vielleicht auch ihre Angst an. Er machte aber keine Bemerkung, ging nur hinter ihr die Treppe hinauf.
»Father Tyndale?«, fragte Susannah sofort, setzte sich
im Bett auf und ordnete mit der Hand ihr Haar, um es wenigstens ansatzweise so schön wie früher aussehen zu lassen. Emily holte den Kamm und half ihr dabei. Sie überlegte sogar, ob sie nicht etwas von ihrem Rouge holen sollte, um Farbe auf Susannahs weiße Wangen aufzutragen, aber sie fand, das würde nur unnatürlich aussehen und könnte ohnehin niemanden täuschen. Stattdessen frisierte sie das Haar fertig, lächelte anerkennend und bat dann Father Tyndale herein.
Sie ging wieder hinunter. Das war ein Gespräch, das in ganz vertraulichem Rahmen stattfinden sollte. Sie kam mit Tee und dünnen Brotscheiben mit Butter zurück in der Hoffnung, dass Susannah in Gesellschaft etwas zu sich nehmen könnte.
Nach über einer Stunde kam Father Tyndale mit dem Tablett in die Küche. Daniel war damit beschäftigt, draußen ein paar Arbeiten zu erledigen, und Emily machte gerade das Gemüse für das Mittagessen und das Abendessen fertig. Es war schon Jahre her, dass sie solche Tätigkeiten selbst verrichtet hatte.
Father Tyndale setzte sich auf einen der Küchenstühle, für den er eigentlich zu groß war. Er sah müde aus. »Brendan Flaherty hat das Dorf verlassen«, sagte er leise. »Keiner weiß, wo er hin ist, außer vielleicht seine Mutter, und die wird nichts sagen.«
Emily war verblüfft. Ihr kam sofort der Gedanke, dass der Streit zwischen Brendan und seiner Mutter doch heftiger gewesen war, als sie zu dem Zeitpunkt angenommen hatte. Dann fragte sie sich, ob der Grund das war, was Daniel zu ihm gesagt hatte, was auch immer
das gewesen sein mochte. Wovor flüchtete Brendan? Vor der Vergangenheit oder vor der Zukunft? Oder vor beidem?
»Gestern war ich bei Mrs. Flaherty«, sagte sie zögernd. »Daniel war auch da, aber im Garten draußen. Er hat sich mit Brendan unterhalten. Mrs. Flaherty hat die beiden gesehen und war sehr aufgebracht. Sie ging hinaus und sagte Daniel in ziemlich barschem Ton, er solle gehen.«
Father Tyndale sah besorgt aus und suchte nach Worten, die er, wie er schon im Voraus wusste, nicht finden würde.
Sie wollte ihm von ihrem Verdacht erzählen, dass Brendan mit Connor Riordan womöglich eine Beziehung gehabt hatte, die Mrs. Flaherty heftig missbilligte, aber sie wusste nicht, wie sie es formulieren konnte, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen. »Sie war sehr aufgebracht«, sagte sie noch einmal. »Als ob sie Angst vor ihm hätte.« Sie holte tief Luft. »Hatte sie dabei Connor vor Augen? Warum sollte sie sonst so
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