Der Weihnachtspullover
verdienen. Ich hatte so lange geduldig darauf gewartet, hatte zugesehen, wie jeder meiner Freunde das Fahrrad seiner Träume bekam. Jetzt war ich an der Reihe. Mom hatte recht gehabt, Gott hatte seine Arme um mich gelegt, und nach allem, was ich durchgemacht hatte, würden mir diese Arme das eine Geschenk überreichen, das mich wieder glücklich machen konnte.
Aus der großen Magnavox-Musiktruhe im Wohnzimmer ertönte Weihnachtsmusik. Sie konnte acht verschiedene Schallplatten spielen. Wenn eine zu Ende war, ging der Tonarm in die Höhe, und die nächste Schallplatte fiel auf den Plattenteller. An diesem Morgen stammten alle Schallplatten aus der Firestone-Weihnachtsserie. Ich glaube,die hatten wir in dem Jahr bekommen, als wir unsere Reifen kauften.
Als ich ins Wohnzimmer trat, hörte ich meine Mutter zusammen mit Julie Andrews singen. »They know that Santa’s on his way, he’s loaded lots of toys and goodies on his sleigh.«
»Frohe Weihnachten, Eddie!« Meine Mutter hatte mich bemerkt. Sie kam um die Ecke aus der Küche getanzt. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und streckte sie mir einladend zu einer Weihnachtsumarmung entgegen.
»Frohe Weihnachten, Mom«, sagte ich und umarmte sie ein wenig widerstrebend, wie Zwölfjährige das eben tun. Außerdem wollte ich kein Pfannkuchenmehl auf meinen Pyjama bekommen, und ich wusste, dass, wenn ich ihre ungestüme Umarmung auf die gleiche Weise erwiderte und sie damit ermunterte, es geschlagene fünf Minuten dauern würde, bis sie mich wieder losließe.
Ich wand mich also so schnell es ging wieder aus ihren Armen und strebte auf den Baum in der Ecke zu. Er wurde von einer einzelnen Lichterkette erleuchtet, die viel zu groß war für den kleinen Tannenbaum. Popcorn-Ketten und Folien-Eiszapfen verbanden Ornamente aus Glas, Holz und Papier. Nur wenige dieser Ornamente waren im Laden gekauft. Viele waren das Resultat von Schulprojekten oder von Familienbasteleien, aber die meisten hatte meine Mutter über die Jahre selbst angefertigt.
Ich ließ meinen geschulten Blick über die grüne, von meiner Mutter mit einem Krippenmotiv bestickte Filzdecke gleiten, die unten um den Stamm des Baumes lag. Es befanden sich lediglich zwei Geschenke darauf, die nicht schon am Heiligabend dort gewesen waren, und nur eins, das ich nicht sogleich von meiner »Operation Geschenkepeilung« her erkannte. Keines davon war auch nur annähernd groß genug, um ein Fahrrad zu sein, aber ich hatte immer noch große Hoffnungen. Ich wusste, dass meine Mutter genug von meinem Großvater in ihrem Blut hatte, um mit mir das gleiche Katz-und-Maus-Spiel zu spielen, wie er es immer tat. Vor ein paar Jahren hatte sie gewartet, bis ich all meine Geschenke ausgepackt hatte, bevor sie durch das hintere Fenster auf mein letztes Geschenk zeigte: einen brandneuen Schlitten, den eine große Schleife zierte.
Da mir dieses Weihnachtsfest noch in sehr guter Erinnerung war, begann ich darüber nachzudenken, wie Mom das Fahrrad wohl versteckt haben mochte. Es gab eine Reihe von Möglichkeiten, aber ich vermutete, dass sie höchstwahrscheinlich ein Foto des Huffy verpackt und das eigentliche Fahrrad in der Garage versteckt hatte. Das sähe ihr ähnlich – sie konnte mich im Ungewissen lassen und musste gleichzeitig kein Geschenkpapier verschwenden, etwas, das sie immer zu beschäftigen schien.
Ich griff nach einem Geschenk, damit ich besser sehen konnte, was sich dahinter befand, in der Hoffnung, nocheins zu entdecken, das ich bisher noch nicht heimlich geöffnet hatte.
»Ist das für mich?«, trällerte Mom.
Sie hatte mich überrumpelt. »Oh ja, frohe Weihnachten.« Ich wandte mich zögernd von all den Päckchen ab und reichte ihr ihr Geschenk, das ich mit dem Geld bezahlt hatte, das ich mir beim Beerenpflücken im Sommer auf der Farm meines Großvaters verdient hatte.
Sie öffnete vorsichtig das unbeholfen eingepackte Päckchen. »Handschuhe!«, rief sie mit einer übertriebenen Begeisterung, die ich ihr nicht ganz abnahm. Dann nahm ihr Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck an, und sie sagte leise: »Ich brauchte wirklich dringend neue Handschuhe. Die sind goldrichtig. Vielen Dank, mein Schatz.«
Ich hörte ihr gar nicht zu, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, nach meinem anderen Geschenk zu suchen. Als ich es fand, reichte ich es ihr ebenfalls. »Das ist mein anderes Geschenk für dich.«
»Du meine Güte, noch eins?«, sagte sie, als sie die kleine, rechteckige Schachtel entgegennahm.
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