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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Beck
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hatte entdecken können. Ich kletterte die vier Querhölzer auf meiner Seite des Pferches hinauf und setzte mich auf die oberste Stange. Der Mann kam zu mir herüber und blieb vor mir stehen. »Ich glaube, wir wurden einander noch nicht offiziell vorgestellt«, sagte er. »Mein Name ist Russell.«
    Ich dachte wieder einmal, wie dreckig er doch aussah. Sein Bart war nicht wirklich grau, wie man von weitem dachte, sondern er war mit Schichten von schmutzigem Braun und Gelb bedeckt. Wenn man einen Menschen als sepiafarben bezeichnen konnte, dann Russell. Er lächelte, nahm seinen Cowboyhut vom Kopf, wischte sich den schmierigen Schweiß mit einem schon dreckigen Taschentuch ab und betrachtete mich eingehend.
    »Russell und weiter?« Ich war mir sicher, dass meine Großeltern seinen Nachnamen wissen wollten.
    »Nur Russell.«
    »Oh.« Ich schwieg für einen Augenblick und wandte mich der Stute zu. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht ist, ein Pferd zu zähmen.« Ich war noch niemals so nahe bei einem Pferd gewesen, das sich nicht an einer Stange auf und ab und im Kreis bewegte.
    Russell lächelte. »Ich bin genau genommen der dritte Mann, der dieser Stute zu helfen versucht. Irgendwie finde ich mich immer bei den Pferden wieder, die alle anderen aufgegeben haben.«
    Als ein Fremder, der so rätselhafte Dinge über Pferde erzählte, hätte mich Russell misstrauischer machen sollen, als ich war. Es ist nicht leicht zu erklären, aber dieser Mann strahlte eine solche Wärme aus, dass ich mich in seiner Gegenwart sicher fühlte. Er hatte den ganzen Dreck einer jeden Farm der Erde an sich – und doch kam er mir irgendwie sauber und friedlich vor. Mit Russell zu reden fühlte sich so an, als unterhielte ich mich mit jemandem, den ich schon mein ganzes Leben kannte.
    »Sie haben ihr also bloß einen Apfel gegeben?«, fragte ich.
    »Nein, Eddie. Ich habe ihr bloß gezeigt, dass ich sie liebe. Man muss Pferde manchmal daran erinnern. Dieses alte Mädchen hier hat einiges mitgemacht, und dann wurde es einfach abgeschrieben. Diese Stute ist geschlagen worden und hat sich verlassen gefühlt. Ich versuche ihr nur dabei zu helfen, dass sie begreift, wie sehr sie sich geirrt hat.«
    »Wie wollen Sie das denn anstellen?«
    »Nun, das mag jetzt eigenartig klingen, aber ich versuche sie lediglich daran zu erinnern, wer sie ist. Solchen Pferden wird Tag für Tag beigebracht, ihre Instinkte und Emotionen, mit denen sie geboren wurden, zu vergessen. Jeder möchte das Gefühl haben, geliebt zu werden, aber wenn man sich immer nur einsam fühlt, dann ist es schwer, irgendetwas anderes zu erreichen.«
    Ich konnte ihm nicht mehr ganz folgen. »Pferde können sich einsam fühlen?«
    »Natürlich können sie das. Pferde sind uns sogar viel ähnlicher, als du denkst. Sie werden in dem Bewusstsein geboren, was einmal aus ihnen werden soll, aber sie wissen nicht, wer sie sind oder wie sie dorthin gelangen sollen. Ich wette, das geht dir genauso, Eddie. Die Leute fragen dich bestimmt ständig, was du einmal werden willst, wenn du groß bist, aber das ist die falsche Frage, nicht wahr? Das ist so, als würde man sagen, diese Stute ist ein Arbeitspferd, anstatt zu sagen, was sie in Wahrheit ist, nämlich lieb, sanftmütig und treu. Siehst du den Unterschied? Das ›Was‹ spielt keine Rolle. Die Frage, die die Leute eigentlich stellen sollten, lautet: Wer möchtest du einmal sein, wenn du groß bist?«
    Ich kapierte es immer noch nicht. » Wer ich sein möchte? Meinen Sie so wie Joe Namath oder Evel Knievel?«
    »Nein, nicht ganz.« Russell lächelte. Seine Stimme verriet nicht einmal einen Hauch von Verärgerung, weil ich nicht begriff, was er mir zu erklären versuchte. »Ich meine, wer möchtest du einmal sein? Was für ein Mensch soll einmal aus dir werden?«
    »Also, ich möchte einmal reich sein und weit weg von hier leben. Ich werde ein riesengroßes Haus in einer Stadt wie New York haben und mir ein tolles Auto und einen neuen Fernseher und alles kaufen, was ich haben will.«
    »Du meine Güte«, sagte Russel und wandte sich dem Pferd zu. »Das klingt ja, als wüsstest du schon ganz genau, was du willst.«
    »Tue ich auch. Ich muss bloß noch von hier und all diesen Leuten wegkommen, die versuchen, mir alles zu verderben.«
    Russell schwieg für einen Augenblick und strich der Stute über den Kopf. »Wenn du das alles schon so klar vor Augen hast, dann musst du auch wissen, wer du bist.«
    »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt, ich

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