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Der Weihnachtspullover

Der Weihnachtspullover

Titel: Der Weihnachtspullover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Beck
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letzten Jahr alle anderen täuschen können, aber mich ganz bestimmt nicht. Ich durchschaue dich.« Ich hatte nicht vor, so einfach von meinen Schulgefühlen und meiner Wut abzulassen, und ich wollte sie ganz gewiss nicht mit der Person teilen, von der ich überzeugt war, dass sie das meiste davon verursachte.
    Großvater sah fassungslos drein. Ich spürte seine Verletzlichkeit, und das machte mich nur noch stärker. »Du kannst so oft zur Kirche gehen, wie du willst, aber keiner der Menschen dort ist wirklich glücklich, also spar dir deine Predigten. Ich will auch nichts mehr davon hören, dass Jesus mich liebt und wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir eine perfekte kleine Familie sind. Das sind doch nur Lügen.« Ich schrie es nun nahezu heraus. »Und weißt du, warum es Lügen sind? Weil es keinen Gott gibt. Jesus liebt dich nicht. Jesus bist du egal .«
    Meine Worte hingen in der Luft, als hätten sie sich in den staubigen Dachsparren der alten Scheune verfangen. Meinem Großvater liefen neue Tränen über die Wangen. Ich holte zum entscheidenden Schlag aus. »Ich bin der Einzige in der Familie, der sich nichts vormacht. Ich weiß, wer ich bin. Ich werde einmal glücklich sein, wenn ich das alles hier endlich hinter mir gelassen habe, wenn ich mir keine Gedanken mehr darüber machen muss, dass andere Leute blödsinnige Sachen anstellen, wie zum Beispiel ihre müde Tochter zum Autofahren zu überreden.«
    Ich rannte aus der Scheune, und unsichtbare Tränen strömten mir über die Wangen. Mein Großvater blieb allein zurück mit einem Fahrrad und der Wolle von hundert ungestrickten Pullovern.
     
     
    Ich starrte zur Zimmerdecke hinauf, deren glatter weißer Putz in krassem Gegensatz zu der rissigen, fleckigen Decke meines Zimmers zu Hause stand. Zu Hause, wo ich hingehörte. Ich hatte das Gefühl, dass ich weinen sollte, aber ich konnte es nicht. Ich war nicht traurig.
    Ich dachte an das Fahrrad und an all das, was es symbolisierte: Hoffnung und Glück, Tod und Verzweiflung. Großvaters Worte schossen mir durch den Kopf. Niemand sollte seine Last allein tragen. Man kann um Hilfe bitten ... Wir sind alle dazu bestimmt, glücklich zu sein.
    Das waren hübsche Gedanken, aber es waren nur Worte, und ich hatte die Nase voll vom Reden. Der Kloß in meiner Kehle war zu groß geworden. Russell hatte recht – man musste sich darüber klar werden, »wer« man war, dann würden das »Was« und das »Wohin« folgen, und nun war ich im Besitz von allen drei Antworten: Die Farm meiner Großeltern war das »Was«, und sie gehörte zu dem, der ich einmal gewesen war . Nun wurde es langsam Zeit, allen das »Wo« zu zeigen.
    Ich stand von meinem Bett auf und ging zur Kommode hinüber. Sie hatte fünf Schubladen, von denen ich nur vier benutzte. In der fünften Schublade, ganz unten, lag mein Pullover. Es war das Einzige, was sich darin befand.
    Über der Kommode hing ein Spiegel, aber ich vermied es, mir darin in die Augen zu sehen. Etwas sagte mir, dass ich den falschen Weg wählte und dass ich mit meinenGroßeltern noch einmal neu beginnen musste – aber ich ignorierte die Stimme in meinem Inneren. Es war leicht, andere Menschen zu täuschen, aber aus irgendeinem Grund machte es mir der Spiegel zunehmend schwer, mich selbst zu täuschen.
    Ich holte den Pullover hervor, hielt ihn an meine Nase und nahm einen tiefen Atemzug von meiner Mutter. Ich fühlte mich vollkommen verloren. Mein altes Leben und mein altes Ich waren verschwunden und sie mit ihnen. Ich war erfüllt von Schmerz.
    Ich hatte mich nicht einmal von ihr verabschieden können.

 
     
     
     
     

 

Kapitel 12
     
ein Großvater verschwendete keine Zeit und machte dort weiter, wo er in der Scheune aufgehört hatte. Am nächsten Morgen folgte er mir nach dem Frühstück ins Wohnzimmer, während Großmutter das Geschirr abräumte. »Was glaubst du eigentlich, wem du damit wehtust?«, fragte er mit sorgsam beherrschter Stimme. Die alten, erschöpften Augen von gestern musterten mich nun in einem stahlharten Blau.
    »Ich versuche nur, von hier wegzukommen.«
    »Nun, das wird nicht passieren. Du wirst noch eine ganze Weile hier sein. Ich habe dir gestern gesagt, dass ich nirgendwohin gehen werde und du genauso wenig, mein Junge. In der Zwischenzeit müssen wir beide zu einer Einigung kommen. Und ich lasse mich auf keine Diskussion mit dir ein. Du wirst mir gehorchen und deiner Großmutter Respekt erweisen. Sie ist der liebenswürdigste, sanftmütigste,

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