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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gerade erst gesehen, in Erinnerung rief – die klaren strahlend blauen Augen –, kamen Narraway Zweifel, irrational zwar, aber nicht zu leugnen.
    Wer war dann schuldig? Wer log? Er konnte sich nicht vorstellen, dass gleich mehrere Männer eine Falschaussage machten, um denjenigen zu schützen, der Chuttur Singh ermordet und Dhuleep hatte laufen lassen, der die Patrouille verraten hatte. Jemanden, der dann auch noch in Kauf nahm, dass Tallis dafür hingerichtet wurde.
    Narraway hatte den Eindruck, dass Tallis ihm vertraute. Alle möglichen Argumente gingen ihm im Kopf herum: War es vielleicht eher Hoffnung als Vertrauen? Oder einfach brillante Schauspielerei? Oder vielleicht – das hätte er am besten verstanden – war es sogar eine Leugnung des schrecklichen Verrats sich selber gegenüber, eine Weigerung, der Tatsache der eigenen Schuld ins Auge zu sehen?
    Narraway glaubte, er habe echte, verzweifelte Hoffnung in ihm gesehen, die Hoffnung, an die sich ein Mensch klammert, der die Wahrheit auf seiner Seite weiß.
    Wo sollte er nur anfangen? Wenn Tallis unschuldig war – und davon musste er ausgehen –, dann hatte jemand absichtlich gelogen, wahrscheinlich in der Absicht, sich selbst zu schützen, oder aber alle hatten sich ganz und gar geirrt. Alles genau zu prüfen, das war die einzige Möglichkeit. So würde er sich zumindest selbst der Fakten vergewissern. Er würde sich dorthin begeben, wo die Zeugen ihrer Aussage nach gestanden hatten, würde nachvollziehen, was sie gesehen haben konnten, er würde den Zeitablauf rekonstruieren und die Handlungen, die sie behaupteten, ausgeführt zu haben. Er musste Fehler finden, Ausreden oder Lügen.
    Er ging zwischen den Bäumen hindurch zurück in Richtung Stadt.
    Die Aufstände waren jetzt ungefähr ein Jahr her. Sie hatten im Januar in Dum Dum begonnen. Seitdem hatten sich fast täglich neue Katastrophen ereignet, Siege hier und Siege der Gegenseite, Belagerungen und ihre Aufhebung, dann wieder eine neue Meuterei an einem anderen Ort. Wie lächerlich war es da, einen einzelnen Soldaten mitten in Kanpur für den Tod eines Wachpostens zu verur teilen, während in ganz Nordindien Zehntausende Män ner sich gegenseitig erschossen oder erstachen, Männer, die sich noch ein Jahr zuvor bedingungslos vertraut hatten.
    Er blickte auf die verstreut liegenden Offiziershäuser mit ihren Veranden, den großen, ungepflegten Gärten, den Tamarinden- und Mangobäumen, deren Blätter sich in der Windstille nicht bewegten. Im Sommer war die Hitze so unerträglich wie in einem Brennofen gewesen. Jetzt war es manchmal nachts sogar kalt.
    Er musste nicht mit Säbel und Gewehr kämpfen, das würde noch früh genug kommen. Dutzende Städte wurden belagert oder waren schon gefallen. Jetzt herrschte nur eine vorübergehende Waffenruhe.
    In der Zwischenzeit ging der Tag unverrichteter Dinge zur Neige, und Narraway musste sich dringend auf die hoffnungslose Aufgabe vorbereiten, John Tallis dem Anschein nach zu verteidigen. Alle würden ihn deshalb verachten, obwohl alle wussten, dass er gar keine andere Wahl hatte. In dieser Farce besetzte er die Rolle des zweiten Bösewichts.
    Er beschleunigte seine Schritte. Die einzige Strategie, die ihm einfiel, war, die Zeugen, die Busby aufrufen würde, zu befragen. Das würden die drei Männer sein, die auf den Alarm hin herbeigeeilt waren, Chuttur Singh sterbend in einer Blutlache am Boden liegend vorgefunden und bemerkt hatten, dass Dhuleep Singh geflüchtet war.
    Er ging an mehreren Häusern vorbei, in denen die Unter offiziere ihr Quartier hatten. Es waren alles Ziegelbauten mit weißem Verputz, der schon an vielen Stellen abgebröckelt war. Veranden befanden sich an drei Seiten jedes Hauses, zu dessen Eingang ungefähr ein halbes Dutzend Stufen hinaufführten. Die Häuser standen einzeln, getrennt auf zwei oder drei Morgen kargem Land, als ob Platz keine Rolle spielte.
    Narraway wusste, wie sie innen aussahen. Die Eingangstür führte in einen geräumigen Wohnraum ohne jeglichen Komfort, mit abgewohnten Möbeln, die aussahen, als wür den sie nur vorübergehend benutzt, bis man etwas Besse res fand.
    Von diesem Raum gingen kleinere Schlafzimmer und wahrscheinlich auch ein Bad ab. Das Wasser befand sich draußen, in einer Reihe riesiger roter Steingefäße, zum Abkühlen, damit die Offiziere ein erfrischendes Bad nehmen konnten.
    Er wandte seinen Blick wieder nach vorne und bemerkte, dass vor ihm eine Frau langsam die Straße entlangging. Auf dem Arm

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