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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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aufzugeben. »Haben Sie denn später Hinweise gefunden?«
    »Ja.« Aber auf Grants Gesicht erschien keinerlei Regung. »Es gab Blutspuren. Hier und da ein paar Spritzer. Und Flecken an der Wand, am Türpfosten. Hat uns aber auch nicht weitergeholfen. Ich wäre froh, wenn es Dhuleeps Blut wäre, aber ich weiß nicht einmal, ob Chuttur sich überhaupt gewehrt und zurückgeschlagen hat.«
    Er senkte den Blick und presste seine Lippen zusammen. »Es tut mir wirklich leid. Ich mochte Tallis. Er schien einer der Besten zu sein, aber wenn er Dhuleep bei der Flucht geholfen hat, dann bin ich froh, wenn er gehängt wird. Ich kann Ihnen nur die Wahrheit sagen. Jemand ist von außen hineingekommen. Das muss so gewesen sein. Es gibt keine andere Möglichkeit. Diese Person hat Chuttur einen Schlag versetzt, sodass er zumindest bewusstlos war, hat Dhuleep dann herausgelassen, ist vielleicht sogar mit ihm geflohen und hat Chuttur sterbend liegen lassen.«
    »Man kann die Tür nur von außen öffnen?«, fragte Narraway noch einmal.
    »Ja – habe ich das nicht schon gesagt?« Grant biss sich auf die Lippe. »Als Dhuleep weg war, hätte Chuttur nicht einmal mehr herauskommen können. Der arme Teufel konnte nur den Alarm betätigen. Tallis können Sie nicht mehr retten, und Sie sollten es auch nicht.«
    Er sah Narraway fest in die Augen. In seinem Blick lag tiefe Traurigkeit, aber keine Spur von Zweifel.
    Narraway fand Attwood, den Soldaten, der als Zweiter zu dem Gefängnis gekommen war, im Magazin vor. Er arbeitete, und Narraway musste ihn bitten, sich für die Zeit der Befragung zur Verfügung zu stellen. Der Unteroffizier stimmte nur widerwillig zu. Narraway und Attwood standen im Schatten der hohen Mauern des Magazins. Hier konnten sie sprechen. Narraway fragte sich unweigerlich, warum General Wheeler statt der armseligen Erdwälle, die er aufgeschüttet hatte, nicht diese Mauern als Schutz gewählt hatte.
    Attwood war Ende zwanzig, ein Berufssoldat mit einer Narbe auf der Wange. An der linken Hand fehlte ihm ein Finger. Er war untersetzt, hatte einen kräftigen, gewölbten Brustkorb und sprach mit einem starken Yorkshire- Akzent. Er betrachtete Narraway herablassend, aber nicht unfreundlich, weil dieser offensichtlich aus dem Süden Englands kam.
    »Kann Ihnen da nicht weiterhelfen, Sir«, sagte er energisch. »Hab den Alarm gehört, bin zum Gefängnis gerannt, kam gleich nach Grant da an. Der arme Kerl kniete auf dem Boden neben Chuttur Singh, dem Gefängniswächter. Anständiger Kerl. Loyale Sikhs sind verdammt gute Leu te. Die besten Soldaten auf der Welt, die und die Gurkhas. Die kämpfen wie der Teufel persönlich.«
    »Und Dhuleep Singh?«
    Attwood sah ihn mit starrem Blick an. »War natürlich verschwunden. So einer zögert nicht lange, wenn die Tür auf ist. Ich weiß, Sie müssen irgendeine Verteidigung für Tallis aufstellen. So will ’s das Gesetz, sonst können wir den Mistkerl nicht hängen. Für Sie ein völlig blödsinniges Unterfangen. Wäre aber nicht das einzig Blödsinnige hier«, fügte er grimmig hinzu.
    Narraways Gemüt erhitzte sich. »Haben Sie da etwas Bestimmtes im Kopf, Unteroffizier Attwood?«
    »Es war verdammt blödsinnig, Fett auf die Patronen in Dum Dum zu schmieren, Sir. Jeder Idiot, der zusammen mit Indern gedient hat, konnte den Aufstand kommen sehen. Verdammt, das hat sie alle auf einen Schlag zutiefst beleidigt!« Er schüttelte den Kopf. »Sagen Sie mir jetzt bloß nicht, dass irgend so ein Genie dieses Blutbad in Delhi tatsächlich zum Frühstück serviert haben wollte!«
    Narraway erinnerte sich plötzlich an das, was Grant über die englische Ignoranz gesagt hatte, aber er konnte es sich nicht leisten, mit Attwood übereinzustimmen, zumindest nicht offen.
    »Blödsinn oder nicht, ich muss mein Bestes geben«, verteidigte sich Narraway.
    Attwood grinste, und ein abgebrochener Schneidezahn kam zum Vorschein. »Versauen Sie’s nicht – Sir«, sagte er heiter. Das »Sir« war eindeutig ironisch gemeint. »Wir wollen die ganze Sache nicht noch einmal aufrollen, um ihn mit gutem Gewissen hinrichten zu können. Die Ehre des Regiments steht auf dem Spiel, Sie werden in allen Ehren scheitern müssen, Sir.« Seiner Meinung und wahrscheinlich auch der der meisten Soldaten nach waren Attwoods drei Streifen mehr wert als der Stern an Narraways Uniform. »Und dass Sie scheitern werden, steht außer Frage«, fügte er noch hinzu.
    »Dann helfen Sie mir, meine Aufgabe so ehrenvoll wie möglich zu

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