Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weihnachtswunsch

Der Weihnachtswunsch

Titel: Der Weihnachtswunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
Vom Netzwerk:
Unternehmens zu treffen. Als sie bei Kiers Haus ankam, war es nach sechs. Der Tag war bereits dem Abend gewichen, und im Vordergarten funkelte der Schnee im Mondlicht.
    Sie klopfte an die Tür und schloss auf. Im Haus war alles dunkel. »Mr Kier?« Keine Antwort. Sie ging zum Wohnzimmer. Dort sah sie Kier, ein Schatten in einem Sessel.
    »Da sind Sie. Ich habe die Arcadia-Unterlagen mitgebracht, und Mike hat mir ein paar Steuerformulare mitgegeben, die Sie unterschreiben müssen.« Sie nahm die Papiere aus einer Ledermappe. »Er bat mich, Ihnen zu sagen –ich zitiere –, sie sollen sich ›keine Sorgen machen‹. Er schiebt die Steuerlast lediglich auf dieses Jahr.« Sie legte die Unterlagen geordnete auf den Couchtisch und sah hoch.
    Kier starrte vor sich hin, als habe er sie nicht gehört.
    »Mr Kier?«
    Keine Reaktion.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ich habe mich zu Gary Rossi aufgemacht.« Seine Stimme klang so dünn, als werde sie gleich versagen.
    »Oh.« Sie zog den Mantel aus und setzte sich auf die vor ihm stehende Couch.
    »Wie lange wussten Sie das schon?«, fragte er.
    Linda schluckte. »Ich habe es sofort erfahren. Kurz nachdem es passiert ist.«
    »Warum haben Sie mir nichts davon erzählt?«
    »Hätte Sie das damals interessiert?«
    Er schwieg für einen Moment und sagte dann: »Vermutlich nicht.« Er atmete laut aus. »Ich bin gestern Abend zu Sara gefahren.« Seine Stimme brach. »Sie wird sterben.«
    Linda blickte auf den Boden. »Das tut mir sehr leid.«
    »Ich habe ihr gesagt, dass ich nach Hause kommen möchte. Aber sie hat erwidert, dass es zu spät dafür ist.«
    Lindas Augen füllten sich mit Tränen.
    »Was für ein Dummkopf ich bin! Als ich mit all dem hier begonnen habe, dachte ich, dass ich eine Art Heiliger wäre.« Er schlug die Hände vors Gesicht. »Aber ich bin bloß ein Heuchler. Ich habe es nicht für sie getan, ich habe es für mich und mein späteres Ansehen getan. Und ich bin gescheitert. Meine Versuche sind bei allen fehlgeschlagen. Ich konnte nichts wiedergutmachen. Noch nicht einmal bei mir selbst.«
    Er blickte zu ihr auf, und eine Träne lief ihm über die Wange. »Mich interessiert mein späteres Ansehen nicht mehr. Ich habe jeden dieser Kommentare auf der Website verdient und zehntausend weitere. Die Leute kennen den wahren James Kier.« Er atmete tief durch. »Aber das Schlimmste ist, dass es jetzt, wo ich wirklich alles wieder in Ordnung bringen will, nichts gibt, was ich tun kann. Vielleicht ist das die Hölle: die Wahrheit zu erkennen und das ganze Ausmaß an Schmerz und Qual zu sehen, das man anderen zugefügt hat, und zu wissen, dass es keine Möglichkeit der Wiedergutmachung gibt. Ich habe ihnen ihr Leben und ihre Träume gestohlen. Ich habe Blut an den Händen.« Er schaute ihr in die Augen. »Wie kann mir je vergeben werden?«
    Linda kämpfte gegen die Tränen an. »Geht es Weihnachten nicht genau darum?«
    Er seufzte.
    »Mr Kier, Sie haben diese Reise vielleicht aus dem falschen Grund angetreten, aber Sie sind am richtigen Ort angekommen. Sie haben sich verändert. Es ist ein Wunder, wie sehr Sie sich verändert haben. Und Sie haben versucht, Buße zu tun. Ich bin kein Experte in Sachen Vergebung, aber ich weiß, dass die Absicht zählt. Ich weiß auch, dass es nie zu spät ist, das Richtige zu tun. Es gibt Menschen, die Sie noch immer brauchen und denen an Ihnen liegt.«
    »Niemandem liegt an mir.«
    »Mit liegt an Ihnen.«
    »Ich weiß nicht, warum. Aber danke.« Dann fragte er: »Warum haben Sie den wichtigsten Namen nicht auf der Liste aufgeführt?«
    »Ich wusste, dass Sie das bemerken, wenn Sie sich verändern. Und wenn nicht …« Sie zögerte kurz. »Nun, dann hätte es wirklich keine Rolle gespielt.«
    Kier begann zu schluchzen. »Sie haben mich geliebt. Jimmy und Sara haben mich geliebt. Ich würde alles tun, um ihre Liebe zurückzugewinnen. Ich würde alles geben für eine zweite Chance. Alles. Aber es ist zu spät.«
    Linda stand auf, ging zu Kier und nahm ihn in die Arme.
    Er legte den Kopf an ihre Schulter und weinte. Schließlich fasste er sich wieder.
    »Es ist spät«, meinte er. »Sie fahren besser nach Hause zu Ihrer Familie.«
    »Was werden Sie tun?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Die Resignation in seiner Stimme machte ihr Angst. »Ich komme morgen früh noch mal vorbei, um nach Ihnen zu sehen.« Sie zog den Mantel an und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um. »Am Donnerstag ist unser erstes Weihnachtsfest in der Firma.

Weitere Kostenlose Bücher