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Der Wein des Frevels

Der Wein des Frevels

Titel: Der Wein des Frevels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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das!«
    Sosehr es Francis auch widerstrebte, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wußte er doch, daß er jetzt in Burnes Kreis treten mußte. Als er dort angekommen war, zog er ein Seil aus Lipoca-Häuten zwischen den Falten seiner Robe hervor. Inzwischen rammte Burne seinen Stock in den Sand, bog das andere Ende nach unten, nahm Francis die Schnur aus der Hand und befestigte sie an beiden Enden des Stabes.
    Und so stellte Burne Newman in den Mauern von Quetzalia etwas her, was kein Bürger je zuvor gesehen hatte – eine Waffe.
    Francis wühlte im Innern seiner Robe und brachte einen kleinen Holzpflock zum Vorschein. An einem Ende war er mit Federn versehen, am anderen mit einer tödlichen Steinspitze. Francis zog sich in den Schatten am Nordtor zurück. Burne legte den Holzpflock an den Bogen, spannte das Seil, und der Pfeil schoß davon, verwirrend schnell und geradlinig. Am Scheitelpunkt seiner Flugbahn schwang er sich anmutig nach unten und verließ das Blickfeld aller Zuschauer, abgesehen von den Astrologen.
    Mool setzte sich. »Sie haben mich überzeugt«, sagte er seufzend.
     
    Während sich der Vormittag dahinschleppte, entwickelten sich kleine Zwiegespräche im Publikum, und die Füße scharrten immer lauter. Diese Geräusche fielen erst auf, als sie verstummten. Gouverneur Nazra hatte einen Finger erhoben.
    »Ihr alle fragt euch nun, was ich von alledem halte«, begann er mit einer Erdbebenstimme. »Ich werde es euch sagen. Ich bin beeindruckt. Natürlich wollen wir vom Neurovorenfluch befreit werden. Doch es gibt da eine Frage, die noch nicht gestellt wurde.« Er verlagerte seinen fetten Körper nach vorn und wandte sich an Burne. »Wieso glauben Sie, daß sich Ihre Methode, die Sie an Tieren erprobt haben, auch bei Menschen anwenden läßt?«
    »Ich glaube es nicht nur, Gouverneur Nazra, ich weiß es.« Burne zeigte zum Nordtor, und Francis reagierte sofort auf sein Stichwort, packte den Türring und riß daran. Das Tor schwang auf, in gut geölten Angeln, gab den Blick auf Zamanta und Momictla frei, die mit Schwertern und Schilden gerüstet waren Burne ging auf das Ehepaar zu, nahm der Frau die Waffen aus den Händen und hielt sie hoch. »Erlauben Sie mir, die Macht meiner Wissenschaft zu beweisen. Vor Ihnen stehen zwei gewöhnliche Bürger. Vor sieben Tagen benutzte ich eine von Dr. Lostwax’ Spritzen und injizierte Zamanta drei cm 3 , die richtige Dosis für einen Menschen. Übrigens habe ich es nicht gegen seinen Willen getan.«
    »Das ist wahr«, verkündete Zamanta mit lauter Stimme.
    »Bis zum gestrigen Tag war er imstande, im Falle eines Angriffs Aggressionen zu entwickeln. Nun ist die Wirkung der Droge verflogen.« Burne wirbelte herum und attackierte Zamanta, der zur Seite trat, aber nicht weit genug, um Burnes Stoß auszuweichen. Das Schwert stieß klirrend gegen den Schild.
    »Und jetzt gestatten Sie mir, Sie in Erstaunen zu versetzen«, fuhr Burne fort.
    Francis verließ den Schatten, seinen Insulinkasten an sich gepreßt, und kehrte in den blauen Ring zurück. Er öffnete den Kasten. Zwei Fünf-cm 3 -Spritzen ruhten auf Samt wie ein Pistolenpaar, mit einer schwarzen Substanz gefüllt. Burne legte Schwert und Schild auf den Boden, nahm eine der Spritzen und ging auf Momictla zu. Angstvoll starrte sie auf die Nadel. In einem heiseren Flüstern, das sowohl beschwichtigend als auch drohend wirkte, sprach Burne auf sie ein. »Vertrauen Sie mir – ich habe Ihre Kinder gerettet.«
    Momictla versteifte sich. Burne schob ihren Ärmel zurück, die Nadel stach in ihre Haut. Er zog den Kolben zurück, kein Blut war zu sehen. In der Gewißheit, daß er keine Vene getroffen hatte, pumpte er ihr drei Kubikzentimeter in den Arm. Sie wimmerte nicht, rührte sich nicht – auch dann nicht, als ein grüner Rand rings um den Einstich entstand.
    »Es dauert zehn Minuten, bis die Droge zu wirken beginnt«, erklärte Burne.
    Man vertrieb sich die Zeit mit Fragen. Ein Politiker wollte von Zamanta wissen, ob er irgendwelche Nebenwirkungen, böse oderandersgeartete, bemerkt habe. Das verneinte Zamanta und versicherte, er würde sich sogar gestärkt fühlen. Noctus hätte sein Leben wahrscheinlich um »gute vier Stunden verlängert«. Die Menge brach in Gelächter aus. Momictla berichtete, sie würde leichte Kopfschmerzen und ein schwaches Übelkeitsgefühl verspüren, setzte aber hastig hinzu, diese Symptome würden immer auftreten, wenn sie sich so vielen Menschen gegenübersähe.
    »Verteidigen Sie sich!«

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