Der Wein des Frevels
kleines Luder«, sagte Burne stirnrunzelnd. »Wer sind Sie?« fragte Nazra.
»Das werde ich Ihnen sagen«, mischte sich Mool erbost ein. »Sie heißt Tez Yon und arbeitet als Ärztin in meiner Klinik. Dr. Yon, ich vertrete hier das Chimec-Hospital, und ich schlage vor, daß Sie jetzt wieder an Ihre Arbeit gehen.«
»Ich glaube, sie hat uns im Namen einer Minorität einiges zu sagen«, meinte Nazra, »und ich möchte es hören.«
Tez wartete, bis Totenstille in der Arena herrschte, mußte nicht lange warten und begann: »Ich habe hier gesessen und das alles miterlebt, und ich muß gestehen, daß ich verwirrter bin, als ich es mit Worten ausdrücken kann. Ich dachte immer, daß Zolmec irgend etwas repräsentiert. Sicher, Gewaltlosigkeit ist eine gute Sache. Sie erhält die Leute am Leben. Sie erspart uns die finanzielle Belastung von Türschlössern und Gerichtshöfen. Aber davon abgesehen ist sie auch richtig.« Sie trat in den Gang zwischen den Sitzreihen, stieg in die Arena herab und wandte sich dann dem Regierungsrat zu. »Sind Sie wirklich bereit, die edelste Tradition in der menschlichen Geschichte aufzugeben, nur weil zwei Karnivoren aus dem Weltall Sie dazu auffordern? Sind Sie bereit, unseren Glauben zu verraten, nur weil diese beiden Schwindler sagen, daß Sie das tun sollen? >Diener sind unbekannt<, behauptet Zolmec, >Krieger namenlos!< Haben Sie das vergessen?«
Nazra beobachtete Tez’ Gesicht mit schmerzlichen Augen. »Es war sehr tapfer von Ihnen hierherzukommen, Dr. Yon«, erwiderte er, dann wandte er sich mit dröhnender Stimme an die Menge. »Wir sollten in den nächsten Tagen alle bedenken, daß diese Frau vielleicht die Wahrheit gesprochen hat!«
»Verzeihen Sie, Gouverneur«, warf Burne ein, »aber diese Frau hat den blanken Unsinn geredet. Vor einer Opoche haben Lostwax und Dr. Yon aufgehört, einander zu lieben, und deshalb ist sie immer noch ziemlich durcheinander.«
Francis stürmte aus den Schatten hervor. »Nein, das ist nicht fair! Sie hat aus einer tiefen moralischen Überzeugung heraus gesprochen!« Seine Stimme, viel lauter, als er es erwartet hatte, erreichte auch die obersten Sitzreihen.
Tez wirbelte zu ihm herum, schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Dann wandte sie sich an Burne. »Ich bezweifle nicht, daß es Ihnen gelingen wird, diesen kriminellen kleinen Krieg zu entfachen. Aber ich werde ihn nicht billigen, mein Bruder auch nicht – und auch sonst niemand, den ich beeinflussen, umgarnen, überzeugen oder verführen kann.«
»Zolmec«, sagte Nazra, »hat uns immer gelehrt, daß die wichtigsten Worte lauten: >Ich könnte mich irren.< Eine Welt ohne Neurovoren erscheint mir wie ein schöner Traum – ein Traum, der Quetzalia mehr Brotlaibe als Steine einbringen würde. Aber ich könnte mich irren.«
Tez lief zum nächsten Tor, und als sie in den dunklen Tunnel eingetaucht war, rief sie mit einer durchdringenden Stimme, die bis in die Arena zu hören war: »Und ich habe immer noch nicht aufgehört, den Nerdenmann zu lieben.«
Die Worte prallten von Granit ab und erstarben. Francis dachte: Und ich habe gleichfalls nicht aufgehört, die Quetzalianerin zu lieben.
Burne bewaffnete Momictla sieben Tage später mit einem Schwert und brachte sie in Gouverneur Nazras Privatbüro. Gleichgültig, wie viele Hiebe und Stiche er ihr auch versetzte – sie weigerte sich zurückzuschlagen. Danach entschuldigte sich Burne. Momictla gab ihm das Schwert zurück, und dabei hielt sie es mit spitzen Fingern am Griff wie den Schwanz einer toten Ratte. »In der Kirche werde ich Sie damit enthaupten«, sagte sie.
»Das würde ich gern in meinen Träumen sehen, Momictla«, erwiderte Burne.
Momictlas rasche Erholung von ihren kämpferischen, fremden Tugenden beeindruckte Nazra so sehr, daß er sich bereit erklärte, seinen Palast in eine Kaserne umzufunktionieren. Burne entgegnete, daß Paläste sich nicht dazu eignen würden, Soldaten abzuhärten. Statt dessen würde er ein Feldlager im Hinterhof aufschlagen. Nazras Hinterhof bestand aus zehn Morgen Grasland, flach und grün wie ein Billardtisch.
Kuriere verbreiteten die Nachricht, daß im Gouverneurspalast das größte Abenteuer dieses Zeitalters vorbereitet wurde, und jedes Bevölkerungszentrum, angefangen vom mächtigen Tepec bis zum unscheinbaren Oaxa, entsandte Freiwillige. Francis ließ sich gern dazu überreden, aus dem Olo zu ziehen und die Leute zu rekrutieren.
Er saß hinter einem Marmortisch in der Haupthalle des Palastes und warb
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