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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Lebensunterhalt
verdient. Ist er Geschäftsmann? Oder Lehrer?
    Linda nimmt die Bestellung der anderen Jungen in der Nische auf.
Donny T. ist mit seinem Gefolge unterwegs. Sie klappt ihren Bestellblock zu,
steckt ihn in die Tasche und beugt sich vor, um den Abfall der vorherigen Gäste
wegzuräumen.
    »Du hast dich gut eingewöhnt, was?« fragt Donny T. nur ein paar
Zentimeter von ihrer Taille entfernt.
    »Ganz gut«, sagt sie und greift nach einem noch fast vollen
Cola-Glas.
    »Hast du kein Heimweh nach dem Ort, von dem du hergekommen bist? Was
war das doch gleich? Eine Anstalt oder so was?« Donny T. spricht ein wenig
lauter, gerade laut genug, um am nächsten Tisch verstanden zu werden. Der Mann
mit der kaputten Brieftasche sieht zu ihr auf.
    »Mir geht’s gut«, wiederholt sie und läßt das Glas kippen, so daß
die Cola vor Donny T. auf die Resopalplatte schwappt.
    »Paß auf!« brüllt er. Er versucht, sich gegen die Rückwand der
Nische zu drücken, während die Cola über den Tischrand und auf seine Jeans
tropft. »Das ist meine Lederjacke hier.«
    »Oh«, sagt Linda. »Tut mir leid.«
    »Was macht Donny T. auf dem Rücksitz von Eddies Bonneville?«
fragt sie Thomas später am Abend, als sie im Skylark nach Hause fahren.
    »Das weißt du nicht?«
    »Nein, warum?«
    »Er dealt.«
    Im ersten Moment versteht sie nicht ganz. Und dann geht ihr ein
Licht auf. »Drogen, meinst du?«
    »Ja.«
    »Marihuana? LSD ?«
    »Beides«, antwortet er. »Und einiges andere.«
    »Warum gibst du dich mit ihm ab?« fragt Linda.
    »Wir sind seit der ersten Klasse miteinander befreundet.« Er hält
inne. »Findest du es unmoralisch, mit Drogen zu handeln?« fragt er leicht
herausfordernd.
    »Ich weiß nicht«, antwortet sie. Darüber hat sie sich noch keine
großen Gedanken gemacht.
    »Er verkauft nichts an Jugendliche«, sagt Thomas.
    »Sind wir keine Jugendlichen?« fragt sie.
    Sich langsam vorwärts tastend, küßt Thomas ihren Mund, ihr
Gesicht und ihren Hals. Er öffnet die beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse. Er
massiert ihren Rücken und zieht ihre Bluse aus dem Rockbund. Einmal streift
seine Hand leicht über ihre Brüste. Bis es so weit gekommen ist, sind zweieinhalb
Monate vergangen.
    Sie sitzen im Wagen vor dem Haus am Strand. Es ist ein guter
Parkplatz: Der Strand ist verlassen und der Wagen hinter den Dünen größtenteils
verborgen. Obwohl es kurz vor Weihnachten ist, sind die Fenster beschlagen. Die
vier oberen Knöpfe von Lindas Bluse sind geöffnet. Thomas hat die Hand auf die
weiche Haut an ihrem Hals gelegt und läßt sie langsam abwärts gleiten. Sie ist
atemlos vor Nervosität, wie auf der Berg- und Talbahn: sobald sie oben
angekommen ist, hat sie keine andere Wahl, als auf der anderen Seite wieder
nach unten zu fahren. Es gibt nichts, was sie dagegen tun könnte.
    Er zieht ihre Hand auf seinen Schritt. Sie ist überrascht, dann auch
wieder nicht – Jungen verraten sich auf so offenkundige Weise durch ihren
Körper. Sie möchte ihn berühren und ihm Vergnügen bereiten, aber ein Ekelgefühl
lauert in ihrem Hinterkopf.
    Er spürt ihren Widerstand und läßt sie los.
    »Es tut mir leid«, sagt sie.
    Ein greller Lichtstrahl fährt plötzlich durchs Wageninnere, wird vom
Rückspiegel reflektiert und blendet Thomas, der schnell aufsieht.
    »O Gott«, sagt er, als er bemerkt, daß es sich um eine Taschenlampe
handelt.
    Ertappt wie in einer Comedy-Szene, versuchen sie, sich wieder in
normale Position zu bringen. Thomas knöpft sein Hemd zu und zieht den
Reißverschluß seiner Hose hinauf, und Linda hüllt sich in ihren Armeemantel.
Unwillkürlich fällt ihr wieder ein, wie ihre Tante mit wild fuchtelnden Armen Hure und Schlampe schrie.
    Der Polizist klopft heftig ans Fenster. Thomas kurbelt es herunter.
    Der Strahl der Taschenlampe blendet sie, und einen Moment lang hat
sie Angst, daß es nicht die Polizei, sondern jemand sein könnte, der sie
umbringen will. Sie ist fast erleichtert, als der Polizist die Taschenlampe
abwendet und Thomas auffordert, seinen Führerschein zu zeigen.
    »Wissen Sie, daß dies hier Privatgrund ist?« fragt der Polizist.
    »Nein, das wußte ich nicht, Officer«, sagt Thomas mit einer Stimme,
die sie von ihm noch nicht kennt – übertrieben höflich, fast parodierend.
Natürlich weiß er, daß es Privatgrund ist.
    Der Polizist überprüft den Führerschein, was eine Ewigkeit dauert.
    »Sie sind der Sohn von Peter Janes?« fragt der Polizist schließlich.
    Thomas muß nicken.
    Der Polizist

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