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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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bis sich all ihre Gedanken
und Worte erschöpft hatten und sie dachte: ›Ich muß dieses Zimmer verlassen.
Sonst werde ich wahnsinnig.‹
    Die Empfangssuite machte diesmal einen anderen Eindruck auf sie,
als sie verspätet bei der Veranstaltung eintraf. Es war fast Zeit, sich zum
Abendessen zu versammeln. Der Lärm war größer als am Abend zuvor – wurde am
letzten Abend des Festivals mehr getrunken? Nein, es war etwas anderes: Die
festliche Stimmung im Raum hatte zugenommen, und ein Gefühl von Wichtigkeit war
zu spüren, die zuvor nicht vorhanden war. Eine Frau, winzig und mausgrau, stand
in der größten Gruppe. Ein Flaschenkorken knallte, und Linda bemühte sich,
genauer hinzusehen, aber sie hatte keine Lust, sich der Gruppe anzuschließen,
ihre angeborene Schüchternheit siegte über ihre Neugier. Sie ging zur Bar und
bestellte sich ein Bier, aber dann fiel ihr Marcus ein, und sie besann sich
anders. Sie aß Käse und Crackers statt dessen, und Pickles von einem
Beilagenteller. Sie hatte den Mund voller Brie, als der Australier, der jetzt
nicht beachtet wurde, neben ihr auftauchte und sie ansprach.
    »Sie haben die Neuigkeit gehört?«
    »Welche Neuigkeit?« Sie tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab.
    Er sah von allen im Raum am gesündesten aus: fit und gebräunt, eher
wie jemand, der sich mit Pferden rumquälte, um seinen Lebensunterhalt zu
verdienen, nicht mit Worten. In seinem Land war jetzt Herbst.
    Die Neuigkeit überraschte sie tatsächlich: Während sie und Thomas
auf der Fähre waren, hatte die winzige mausgraue Frau den renommierten Preis
gewonnen.
    »Was für ein Glück für das Festival, würde ich sagen«, meinte der
Australier freundlich. Linda drehte sich um und sah die Champagnerflaschen in
den Kübeln auf dem Tisch, die ihr vorher nicht aufgefallen waren.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich zuvor von ihr gehört habe.«
    »Da sind Sie nicht allein. Man hat sie tatsächlich aus dem Nichts
hervorgezaubert. Angeblich soll sie sehr gut sein. Nun, das muß sie ja wohl,
nicht wahr? Ich wette, es gibt keine zwei Leute hier im Raum, die etwas von ihr
gelesen haben.«
    Linda beugte sich ein wenig vor, um eine bessere Sicht zu haben.
Inzwischen waren weitere Fotografen aufgetaucht, die die anderen baten, zur
Seite zu gehen.
    »Sie benutzt den Ausdruck ›fuck‹ sehr oft«, sagte der Australier.
    Plötzlich meinte sie, sich zu erinnern. Vielleicht hatte sie doch
etwas von dieser Dichterin gelesen. ›Es ist das Jahrhundert des Ficks‹, zitierte
sie, obwohl sie selbst das Wort sonst nicht benutzte.
    »Es sind bereits so viele Blumen in ihrem Zimmer, daß sie den Pagen
bitten mußte, sie zur Rezeption zu bringen.«
    Linda spürte einen Anflug von Neid. Sie und der Australier lächelten
sich an, jeder wußte, was der andere dachte. Man konnte nicht zugeben, neidisch
zu sein, aber man konnte es stillschweigend anerkennen. Es wäre unaufrichtig,
das nicht zu tun.
    Das Lächeln des Australiers verblaßte. Linda spürte eine massige
Gestalt neben sich.
    »Wie schade, daß Ihr Junge den Preis nicht bekommen hat.« Robert
Seizeks Unterlippe war dick und naß, seine Zischlaute waren scharf und
bedrohlich.
    »Er gehört nicht mir, und er ist kein Junge«, sagte Linda.
    »Das komische ist«, sagte der Australier, »auf ihrer Lesung gestern
war nicht einmal ein Dutzend Leute. Jetzt versucht man, sie heute abend zu
einer Extra-Vorstellung zu bewegen.«
    »Ich freue mich für sie«, sagte Linda und versuchte, Seizek zu
ignorieren.
    »Sie ist Bibliothekarin im bürgerlichen Leben. Aus Michigan.« Der
Australier stärkte ihr den Rücken.
    »Sie sind ja dick befreundet mit Thomas Janes«, sagte Seizek laut
und wollte sich nicht abwehren lassen.
    Der Zorn, der sich noch ein paar Minuten zuvor so erfolgreich hatte
zähmen lassen, reckte die Glieder in ihrer Brust – ein Käfigtier im Vergleich
zu Seizeks Löwenhaftigkeit. Sie wandte ihm das Gesicht zu und war (einen Moment
lang) eingeschüchtert von seinem riesigen Kopf.
    »Thomas Janes hat jahrelang keine Arbeit veröffentlicht.« Sie sprach
so beherrscht, wie sie konnte. »Und kann daher wohl kaum die Aufmerksamkeit
eines Preisrichters auf sich gelenkt haben. Obwohl ich sicher bin, wenn Sie
gestern abend bei seiner Lesung gewesen wären, würden Sie mir zustimmen, daß
seine künftigen Veröffentlichungen in unzähligen Ländern Preise erringen
können.«
    »Und wenn Sie heute nachmittag bei Mr. Janes’ Podiumsdiskussion
gewesen wären«, sagte Seizek, ohne zu

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