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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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wohingegen ihm, Thomas, die schlanke Taille einer
weißen Frau aufgefallen war und die Art, wie sich ihre Baumwollbluse über dem
Kanga bauschte. Plötzlich spürte er solche Enge in der Brust, daß er den
Gestank tief einatmen mußte, um Luft zu bekommen.
    Es war doch nicht möglich, dachte er. Selbst als er nicht mehr daran
zweifelte.
    Der Schmerz blieb, aber sein Kopf wurde klarer. Die Sehstörung ließ
nach. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, ihren langen, schlanken Rücken. Ein
Korb hing über ihrem Arm. Sie beugte sich leicht zu einer Auslage mit Ananas
hinunter, um ihre Reife zu prüfen. Eine dichte Reihe von Silberarmreifen
klirrte an ihrem rechten Gelenk, als sie die Hand bewegte. Ihre Beine waren von
der Wadenmitte bis zu den Füßen nackt. Er sah auf das schlanke gebräunte Bein,
die staubige Ferse, die abgetragenen Ledersandalen. War es möglich, daß er sich
täuschte? Nein. In diesem Fall war eine Täuschung unmöglich. Das wundervolle
Haar, blonder, als er es in Erinnerung hatte. Im Nacken zu einem losen Knoten
gebunden.
    Jetzt bezahlte die Frau ihre Ananas. Sie drehte sich um und kam auf
ihn zu. Einen Moment lang sah sie verwundert aus, in einer Hand hielt sie die
Strohtasche, in der anderen den Geldbeutel. Ihr Gesicht war schmaler, nicht so
rund, wie er es in Erinnerung hatte. Selbst in der Dunkelheit des Markts konnte
er das Kreuz erkennen. Er hörte, wie sie nach Luft schnappte.
    »Thomas!« sagte die Frau.
    Sie trat einen Schritt vor. »Bist du es wirklich?«
    Er steckte die Hände in die Taschen, aus Angst, er könnte sie
unwillkürlich anfassen. Ihre Gegenwart war wie ein explodierender
Feuerwerkskörper.
    »Linda.«
    Sein Mund war bereits trocken.
    Sie lächelte zögernd und reckte den Kopf. »Was machst du hier?«
    Was machte er in Afrika? Das schien eine berechtigte Frage zu sein.
    »Ich bin schon seit längerem hier. Seit einem Jahr.«
    »Wirklich? Ich auch. Fast jedenfalls.«
    Ihr Blick wich dem seinen aus, nur eine Sekunde lang, und das
Lächeln erlosch für einen Moment. Sie hatte die Narbe noch nicht gesehen.
    »Das ist sehr seltsam«, sagte er.
    Ein älterer Mann in einer königsblauen Jacke kam auf ihn zu und
zupfte ihn am Ärmel. Thomas war wie erstarrt, unfähig, sich zu rühren, als
könnte er etwas Wichtiges zerstören. Er beobachtete, wie Linda in ihren
Geldbeutel griff und ein paar Shilling herausnahm. Der Bettler entfernte sich.
    Sie legte die Finger an die Nase, von einem der Gerüche überwältigt,
die das Gebäude durchzogen. Er glaubte, ihre Finger zittern zu sehen. Regina
wäre jetzt irgendwo und wartete auf ihn. Regina. Er
bemühte sich, etwas Vernünftiges herauszubringen.
    »Meine Frau arbeitet bei der UNICEF .«
    Die Worte meine Frau paßten nicht, dachte
er. Nicht hier. Nicht jetzt.
    »Oh«, sagte sie. »Ich verstehe.«
    Thomas sah auf ihre Finger, um festzustellen, ob sie einen Ehering
trug. An ihrer linken Hand war etwas, was ein Ehering hätte sein können. »Bist
du in Nairobi?«
    »Nein. Ich bin im Friedenscorps. In Njia.«
    »Oh«, sagte er. »Das überrascht mich.«
    »Warum?«
    »Ich hielt dich nicht für den Typ Frau, der zum Friedenscorps geht.«
    »Nun. Man ändert sich.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Hast du dich verändert?«
    Er dachte nach. »Ich glaube nicht.«
    Seine Lippen waren trocken, er mußte sie mit der Zunge befeuchten.
Sein Atem war zu flach, er brauchte Luft. Der Schmerz in seiner Schläfe war
qualvoll. Regina hätte Medikamente in ihrer Tasche. Er legte die Hand an den
Kopf, ohne sich dessen bewußt zu sein.
    »Du hast Migräne.«
    Er sah sie verblüfft an.
    »Dieser gequälte Zug um deine Augen.«
    Sie, die das Dutzende von Malen gesehen hatte.
    »Ich kriege es jetzt nicht mehr so oft wie früher. Der Arzt sagt,
wenn ich fünfzig bin, wird es verschwunden sein.« Er holte tief Luft und
hoffte, es klänge wie ein Seufzen. »Wenn ich so lange lebe.«
    »Es ist schwer, sich vorzustellen, so lange zu leben«, sagte sie
leichthin.
    »Früher habe ich immer gedacht, mit dreißig wäre ich tot.«
    »Das haben wir alle gedacht.«
    Sie hatte wasserblaue Augen und lange blonde Wimpern. Feine Fältchen
umgaben ihre Augen. Ihr Gesicht war gebräunt, ein indianisches Rotbraun. Nach
dem Unfall war es nicht möglich gewesen, zusammenzubleiben. Ihre Tante und ihr
Onkel hatten es verboten. Er hatte tagelang ihr Haus belagert. Bis sie sie
schließlich fortgeschickt hatten. Er wußte immer noch nicht, wohin sie gegangen
war.
    Er hatte vier Briefe geschrieben,

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