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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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sich die
Macht auf den letzten der Brüder konzentrierte. Thomas’ Vater, ein heimlicher
Katholik inmitten der häuslichen Tyrannei des aggressiven Calvinismus seiner
Mutter, tat Buße auf dem Gebiet der Politik und sammelte große Geldsummen von
nicht ganz waschechten Demokraten, von reichen Bankern und Unternehmern von der
Südküste Bostons. Summen, die groß genug waren, um sich damit Dankbarkeit und
eine königliche Visite einzuhandeln. Thomas, der von seinem Vater nach Hause
zitiert wurde – Cambridge lag schließlich nicht weit von Hull entfernt –, hatte
den Senator beim Dinner beobachtet und war aufgrund des eigenen Mangels an
politischem Sachverstand fast völlig zum Schweigen verurteilt gewesen.
    Auf seinem Schreibtisch, der eine Ecke des Schlafzimmers einnahm,
stand ganz offen und unverfroren die Kisii-Schatulle. Er habe sie auf der
Safari gekauft, log er Regina an. Als Rich diese Frauenstatue kaufte, erinnerst
du dich? Ja, Regina glaubte, sich zu erinnern. Die Schatulle hatte einen
winzigen Sprung gehabt, als sie ankam, was sie für Thomas nur um so wertvoller
machte – warum, hätte er nicht sagen können, wahrscheinlich wegen der
Unvollkommenheit, weil sie dadurch den Eindruck erweckte, sie sei von Linda
benutzt worden. Einen Augenblick lang hatte er daran gedacht, die Schatulle zu
verstecken und ihre Briefe darin aufzubewahren – ein törichter Gedanke, den er
gleich wieder verwarf, weil er wußte, daß eine versteckte Schatulle geradezu
dazu aufforderte, durchstöbert zu werden. Er hatte die Briefe an einem Ort
versteckt, an dem Regina sie nie finden würde – unter den vielen Notizen zu
seinen Gedichten, die sie nie anrührte. Nicht, weil sie Thomas’ Begabung nicht
geschätzt hätte, auf ihre Art tat sie das sogar, sondern weil Lyrik sie einfach
anödete und sie die endlosen Entwürfe zu seinen Gedichten schlichtweg
unerträglich langweilig fand.
    Sie warteten auf die Regenzeit. Das Land war jetzt so trocken, daß
es aufzureißen schien. Es hieß, daß das Vieh bereits verdurstete und die
Wasserspeicher bald leer wären, und man las Schlagzeilen wie: HOTELS SCHLIESSEN WEGEN WASSERMANGEL . Wie alle Menschen
hier hatte er angefangen, vom Regen zu träumen, und im Traum hatte er das
Gesicht in den Regen gehalten. Und dies einte das Land, wie es sich sonst (wenn
überhaupt) kaum einen ließ. Sowohl die mzungu wie die
Asiaten und die kriegführenden Stämme hielten Ausschau nach einem Wölkchen am
Himmel und waren bereit, mit Cocktails oder im Busch mit Tänzen zu feiern,
sobald der Himmel seine Schleusen öffnete. Es war geradezu urtümlich, wie sehr
einen die Sehnsucht nach Regen packte, so daß man sich keine größere Wonne
vorstellen konnte als vom Himmel fallendes Wasser. Der Staub drang überall ein,
in seine Schuhe, in das Fell der Hunde (die oft von Lehm rot waren), in seine
Nasenlöcher und sein Haar. Die Wassermenge war auf eine Badewanne pro Tag
rationiert. Thomas hatte sich angewöhnt, sich mit dem Schwamm zu waschen, um
Regina wenigstens eine halbe Wanne übrigzulassen. Obwohl er sie manchmal bat,
das Wasser nicht abfließen zu lassen und sich selbst hineinsetzte (sich im
Wasser eines anderen zu baden war vermutlich das Höchstmaß an Intimität, fand
er). Genau das plante er heute zu tun, um sich für die Party vorzubereiten,
aber Regina war immer noch nicht nach Hause gekommen – es war bereits halb
sechs –, und er fragte sich, ob er sich nicht selbst ein Bad einlaufen lassen
sollte, in das Regina sich dann setzen könnte. Doch das kam ihm mitten in der
Dürrezeit entsetzlich ungalant vor.
    Konnte man im Norfolk ein Bad nehmen? Er stellte sich Linda zusammen
mit dem jungenhaft hübschen Peter in einem Hotelzimmer vor, wo sich beide für
den Empfang zurechtmachten. In seiner Vorstellung war sie nicht ruhig, obwohl
er sich das gewünscht hätte, sondern er sah sie am Rand eines Tränenausbruchs
vor sich. Ihre Briefe wirkten seltsam verzweifelt, was ihn besorgte. Sie schien
die Nerven noch schneller zu verlieren als er, wenn das überhaupt möglich war.
Ihrer beider Lage war unerträglich – schlimmer als unerträglich, sie erschien
schändlich, als fehlte es ihm, indem er bei Regina blieb, und ihr, indem sie
bei Peter blieb, an Ehre oder Mut. Aber das müßte sich bald ändern. So sehr er
sich vor dem Chaos auch fürchtete, die Geständnisse wären unvermeidlich: Eines
Tages würde er es Regina sagen (er konnte sich das Donnerwetter nicht einmal
vorstellen), und Linda würde

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