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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Land
besucht, den ich unbedingt kennenlernen soll. Wenn ich zu dem Empfang ginge,
müßte ich Peter mitnehmen, denn ich könnte kaum ohne ihn kommen. Vielleicht
müßten wir sogar, je nach den Umständen, seinen Freund mitnehmen. Das wäre doch
kein Problem, oder? Ich würde Mary Ndegwa wirklich gern kennenlernen und ihren
Fall unterstützen, obwohl ich Deinetwegen hinginge.
    Ich kann nichts versprechen.
    Ich schreibe Dir vom Lake Baringo. Peter wollte diesen
gottverlassenen Ort schon lange aufsuchen, und ich war einverstanden, übers
Wochenende mit ihm hinzufahren. Wir haben uns in letzter Zeit ziemlich oft
gestritten – alles meine Schuld und auf meine Geistesabwesenheit zurückzuführen –, und ich hoffe, daß sich die Spannung hier vielleicht auflöst. (Was nicht der
Fall ist: Nichts scheint zu helfen, außer der einen Sache, die ich nicht tun
kann, nämlich mit ihm zu schlafen. Im Moment würde ich das aus reiner
Gutmütigkeit vielleicht tun, wenn ich nicht Angst hätte, es würde mich zu
traurig machen. Warum zwingt einen die Liebe zu solch peinlichen Geständnissen?)
    Am Lake Baringo gibt es mehr furchterregende Dinge als an jedem
anderen Ort, an dem ich je gewesen bin. Das Land ist reizlos und abweisend. Der
Boden ist hart und graubraun, und es wachsen nur Dornbüsche darauf. Das wenige
Grün, das es gibt, ist von Staub bedeckt wie die schwarzen Leiber der kleinen
Kinder, was sie uralt aussehen läßt. Der See mit der Insel in der Mitte ist
braun und voller Krokodile. Letzten Abend schwamm Peter bei Sonnenuntergang
darin, und heute morgen hörte ich, wie etwas Großes ins Wasser planschte. Ein
Flußpferd, nehme ich an. Doch überall, selbst in dieser Landschaft, wo
eigentlich nichts gedeiht, ist Leben – lärmend, wild durcheinanderschreiend,
wimmelnd und flink. Gerade im Moment beobachte ich eine Eidechse, die, Moskitos
verzehrend, durchs Bild huscht. Kormorane, die aussehen wie alte Hofnarren,
spazieren schwerfällig über die Äste des Dornbaums vor unserem »Cottage«, das
eher einem hölzernen Zelt mit einer vergitterten Veranda gleicht als einem
Gebäude, und die Maschen des Gitters sind gerade groß genug, um alle Arten von
fliegenden Insekten durchzulassen. Mein Tisch ist dicht vollgestellt mit
Bierflaschen, Schalen mit Räucherwerk gegen Moskitos, Schreibpapier und
Stiften. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, bürsten sich vier Frauen in
verblichenen roten Kleidern die Knoten aus dem Haar. Die Hitze ist fast
unerträglich. Nur ein winziger trockener Lufthauch streicht über die Härchen
auf meiner Haut. Es scheint genügend Luft zum Atmen zu geben, aber mehr auch
nicht. Die Hitze ist nervtötend, das Licht betäubend, die Moskitos bringen
Malaria. Es gibt wenig Trost.
    Vor ein paar Minuten ratterte ein Lastwagen mit Fleisch die Straße
hinunter und wirbelte eine riesige Staubwolke auf. In dieser Wolke schien ein
kleines Wesen zu hüpfen, wie ein großer Vogel, der zum Flug ansetzt. Nachdem
der Staub sich gelegt hatte, sah ich jedoch, daß es ein Junge war, der mit
seinem Korb dem Laster nachrannte. Der Laster hielt an, der Junge hielt seinen
Korb hoch und wartete, daß er mit Fleischstücken gefüllt wurde, die man auf dem
Markt nicht mehr verkaufen kann und deren Qualität miserabel ist. Ich hätte
hinausgehen und mir den Vorfall genauer ansehen können, brachte aber die
Energie dazu nicht auf. Ich nehme etwas lieber nur für einen Moment wahr und
stelle mir dann andere Wirklichkeiten vor. Ist es das, was einen Schriftsteller
ausmacht? Und auf welcher Ebene des Lebens ist es das richtige Vorgehen? Was
bringt einem dieses Vorgehen ein, außer leichten Zerrbildern? Um einem Leser
etwas von der Wirklichkeit zu vermitteln, müßte ich die Begebenheit in allen
ihren Einzelheiten schildern wie ein Historiker, oder ich müßte sie
rekonstruieren, damit sie über das Wesen der Frauen, des kleinen Jungen und der
Fleischverkäufer etwas aussagt. Was ich nicht kann.
    Ich dachte, Du seist derjenige, der mich mehr liebt. Aber das stimmt
nicht. Ich liebe Dich mehr.
    Ich weine jetzt ständig. Ich bin nur froh, daß Du weit fort bist und
das nicht sehen kannst. Peter ist verwirrt, was man ihm nicht verdenken kann.
Ich lasse ihn in dem Glauben, es sei eine ungewöhnlich lang anhaltende
Hormonstörung. Er verdient das alles nicht.
    Ich hinterlasse Dir eine Nachricht am Schwarzen Brett. Du wirst
Roger heißen und ich Gabrielle. Ich habe mir immer einen exotischeren Namen
gewünscht.
    L.
    Er döste in

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