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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Doch wir sahen keine. Steapa schwieg, bis wir auf einer Flussaue an einem jener rätselhaften
     Ringe aus steinernen Säulen vorbeikamen, die das alte Volk errichtet hat. Davon gibt es in ganz England viele. Manche sind
     riesig, doch dieses Dutzend flechtenüberwachsener Steine hier war nicht größer als ein Mann und umstand einen Kreis von rund
     fünfzehn Schritt. Steapa betrachtete den Steinkreis und verblüffte mich anschließend damit, dass er den Mund auftat. «Das
     ist eine Hochzeit», sagte er.
    «Eine Hochzeit?»
    «Sie waren gerade am Tanzen, als der Teufel sie in Steine verwandelt hat», brummte er.
    «Warum hat der Teufel das getan?», fragte ich zurückhaltend.
    «Weil sie an einem Sonntag geheiratet haben. So etwas darf man nicht. Das weiß doch jeder.» Wir ritten schweigend weiter.
     Bald überraschte er mich wieder. Er fing an, von seinen Eltern zu erzählen, die Odda dem Älteren als Leibeigene gedient hatten.
     «Aber wir hatten ein gutes Leben», sagte er.
    «Tatsächlich?»
    «Pflügen, sähen, jäten, ernten, dreschen.»
    «Aber Aldermann Odda hat nicht dort gewohnt, oder?», sagte ich und deutete mit dem Daumen in die Richtung des niedergebrannten
     Weilers.
    |359| «Nein! Er doch nicht!» Es erheiterte Steapa, dass man solch eine Frage überhaupt stellen konnte. «Er hatte seinen eigenen
     großen Palas. Hat er auch immer noch. Aber sein Verwalter wohnte bei uns. Ein Mann, der uns sagte, was zu tun war. Er war
     ein großer Mann, ein Hüne.»
    Ich zögerte. «Aber dein Vater war klein?»
    Steapa schaute mich überrascht an. «Woher weißt du das?»
    «Ich hab’s geraten.»
    «Er hat fleißig gearbeitet, mein Vater.»
    «Hat er dir auch beigebracht zu kämpfen?»
    «Nein. Das hat er nicht. Das habe ich mir selbst beigebracht.»
    Je weiter wir nach Süden vordrangen, desto seltener entdeckten wir Spuren der Verwüstung durch die Dänen. Das war sonderbar,
     denn sie waren diesen Weg entlanggezogen. Obwohl sie sich, wie uns die Leute berichteten, immer noch im Süden der Grafschaft
     aufhielten, schien das Leben normal zu verlaufen. Wir sahen Bauern, die ihre Felder düngten, Gräben aushoben oder Hecken pflanzten.
     Auf den Weiden grasten Schafe. Während sich im Norden die Füchse an toten Lämmern mästeten, gab es hier Hirten und Hunde,
     die ihre Herden hüteten.
    Die Dänen waren in Cridianton.
    Dies erfuhren wir von dem Priester eines Dorfes, das am Fuße eines eichenbestandenen Hügels neben einem Flusslauf lag. Er
     war unruhig, denn er hatte mich wegen meiner langen Haare und den Armreifen für einen Dänen gehalten, und meine Aussprache
     aus dem Norden trug auch nicht zu seiner Beruhigung bei. Doch Steapa schien er zu vertrauen. Die beiden unterhielten sich,
     und der Priester meinte, ein regenreicher Sommer sei zu erwarten.
    |360| «Ja», bestätigte Steapa. «Die Eiche grünt vor der Esche.»
    «Ein sicheres Zeichen», sagte der Priester.
    «Wie weit ist es bis Cridianton?», mischte ich mich in ihr Gespräch ein.
    «Ein halber Tagesmarsch, Herr.»
    «Sind dort Dänen?», fragte ich.
    «Ja, Herr», antwortete er.
    «Wer führt sie an?»
    «Das weiß ich nicht, Herr.»
    «Haben sie ein Banner?»
    Er nickte. «Es hängt über dem Bischofssitz, Herr, und zeigt ein weißes Pferd.»
    Also war es Svein. Mir wäre auch sonst niemand eingefallen, der es hätte sein können, aber das weiße Pferd bestätigte, dass
     Svein, statt sich mit Guthrum zusammenzutun, in Defnascir geblieben war. Ich betrachtete das Dorf und stellte fest, dass es
     unbeschadet war. Keines der Strohdächer hatte gebrannt, keine Kornkammer war geplündert, und auch die Kirche stand noch. «Sind
     die Dänen hier gewesen?», fragte ich.
    «O ja, Herr, sie waren hier. Mehr als einmal.»
    «Haben sie vergewaltigt? Gestohlen?»
    «Nein, Herr. Aber sie haben Getreide gekauft und mit Silber dafür bezahlt.»
    Gesittete Dänen. Seltsam. «Belagern sie Exanceaster?», fragte ich. Das hätte Sinn ergeben, denn Cridianton lag nah genug bei
     Exanceaster, um den Großteil der Dänen aufzunehmen, während die anderen Exanceaster belagerten.
    «Nein, Herr», antwortete der Priester. «Nicht, dass ich wüsste.»
    «Was treiben sie dann hier?»
    «Sie sind einfach nur in Cridianton.»
    |361| «Und Odda? Ist er in Exanceaster?»
    «Nein, Herr. In Ocmundtun. Er ist bei Harald.»
    Ich wusste, dass der Landvogt in Ocmundtun wohnte, einer am Nordrand des großen Moores gelegenen Stadt, weit entfernt von
     Cridianton, also kein Ort

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