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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Tormeister.
    «Ich dulde in meinem Palas keine Waffen», beharrte Harald.
    Das war die Gepflogenheit. Wenn Männer betrunken sind, können sie anderen schon mit den Messern, mit denen wir das Fleisch
     schneiden, genug Schaden zufügen. Ein Gelage betrunkener Männer mit Schwertern |364| und Äxten kann sich schnell in eine Metzelei verwandeln. Wir legten unsere Waffen ab. Ich mühte mich auch aus meinem Kettenhemd
     und sagte dem Tormeister, er möge es zum Trocknen aufhängen und anschließend von einem Diener putzen lassen.
    Erst jetzt hieß uns Harald in aller Form willkommen und lud uns als Ehrengäste zum Mahl. «Was gibt es Neues zu berichten?»,
     fragte er und winkte einem Diener, damit er uns einen Humpen Bier brachte.
    «Ist Odda hier?», wollte ich wissen.
    «Der Vater, ja, der Sohn nicht.»
    Ich fluchte. Wir hatten eine Botschaft für Aldermann Odda, Odda den Jüngeren, und mussten hören, dass es Odda der Ältere war,
     der sich in Ocmundtun aufhielt. «Und wo ist der Sohn?», fragte ich.
    Harald nahm Anstoß an meiner Schroffheit, blieb selbst aber höflich. «Der Aldermann ist in Exanceaster.»
    «Wird er dort belagert?»
    «Nein.»
    «Und die Dänen sind in Cridianton?»
    «So ist es.»
    «Werden sie belagert?» Ich kannte die Antwort, wollte sie aber von Harald bestätigt hören.
    «Nein», antwortete er.
    Ich setzte den Humpen ab. «Wir kommen vom König», sagte ich. Meine Worte waren zwar an Harald gerichtet, doch schritt ich
     in der Halle auf und ab, sodass sie auch von den Männern auf den Podesten ringsum gehört werden konnten. «Alfred hat uns geschickt
     und verlangt zu erfahren, warum die Dänen in Defnascir sind. Wir haben ihre Schiffe verbrannt, ihre Wachposten niedergemacht
     und den Rest davongejagt. Doch ihr lasst es zu, dass sie hier leben. Warum?»
    |365| Niemand antwortete. Frauen waren nicht anwesend. Harald war Witwer und hatte nicht wieder geheiratet. An seiner Tafel saßen
     darum nur seine Kämpfer und andere Thegn, die eigene Truppen führten. Manche von ihnen betrachteten mich mit unverhohlener
     Ablehnung, weil ich ihnen Feigheit unterstellt hatte, andere schauten zu Boden. Harald richtete seinen Blick auf Steapa, als
     erhoffe er sich Unterstützung von ihm, doch Steapa stand ungerührt am Feuer und verzog keine Miene. Ich wandte mich wieder
     an Harald. «Warum sind Dänen in Defnascir?», verlangte ich erneut zu wissen.
    «Weil sie hier willkommen sind», hörte ich eine Stimme hinter mir antworten.
    Ich drehte mich um und sah einen alten Mann im Eingang stehen. Sein Kopf war mit einem Verband umwickelt, unter dem weiße
     Haare hervorlugten. Er war so dünn und schwach, dass er sich am Türpfosten festhalten musste. Ich erkannte ihn erst auf den
     zweiten Blick, denn als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, war Odda der Ältere ein großer, kräftiger Mann gewesen. Doch
     in der Schlacht bei Cynuit hatte ihn ein Axthieb am Schädel getroffen, und an der schrecklichen Verletzung hätte er sterben
     müssen. Doch irgendwie hatte er überlebt und stand nun vor mir, wenn auch ausgezehrt, bleich, abgemagert und schwach. «Willkommen
     seid auch Ihr, Lord Uhtred, und du, Steapa.»
    Eine Frau hielt Odda den Älteren. Sie hatte versucht, ihn von der Tür wegzuziehen und ins Bett zurückzubringen. Jetzt trat
     sie einen Schritt zur Seite und starrte mich an. Als sie mich sah, tat sie das, was sie auch bei unserer allerersten Begegnung
     getan hatte und später wieder, als sie kam, um mich zu heiraten. Sie brach in Tränen aus.
    Es war Mildrith.
     
    |366| Mildrith war wie eine Nonne mit einem hellgrauen Kittel bekleidet und mit einer Kordel gegürtet. Auf ihrer Brust hing ein
     großes Kreuz aus Holz. Unter einer enganliegenden grauen Haube zeigten sich ein paar Strähnen ihrer blonden Haare. Sie starrte
     mich an, brach in Tränen aus, bekreuzigte sich und verschwand. Gleich darauf folgte ihr Odda der Ältere, der sich offenbar
     nicht länger auf den Beinen halten konnte, und die Tür schloss sich wieder.
    «Ihr seid wahrhaftig willkommen», bestätigte Harald Oddas Worte.
    «Aber warum sind auch die Dänen hier willkommen?», fragte ich.
    Weil Odda der Jüngere eine Waffenruhe mit ihnen geschlossen hat. Harald erzählte mir alles beim Essen. Wie Sveins Flotte bei
     Cynuit vernichtet worden war, wusste in diesem Teil Defnascirs niemand. Man wusste nur, dass Sveins Männer und deren Frauen
     und Kinder brandschatzend und plündernd in den Süden gezogen waren. Odda der

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