Der weiße Reiter
setzen, um uns am darauffolgenden Sonntag, dem Tag der heiligen |405| Monika, mit dem Fyrd zusammenzuschließen, wenn es überhaupt einen Fyrd gab. Einige Berichte sagten, die Dänen seien schon
marschbereit, und es deutete alles darauf hin, dass sie einen Angriff auf Wintanceaster, die Hauptstadt von Wessex, planten.
Um die Stadt zu schützen und Guthrums Vormarsch aufzuhalten, sollte unser Fyrd bei Egberts Stein in Stellung gehen. Ich hatte
von diesem Ort noch nie gehört, aber Leofric versicherte mir, dass er von großer Bedeutung sei, weil dort König Egbert, Alfreds
Großvater, Gericht gehalten habe. «In Wahrheit sind es drei Steine, nicht nur einer», sagte er.
«Drei Steine?»
«Zwei große Steinsäulen stehen aufrecht, und ein Felsbrocken liegt obenauf. Die Riesen aus der alten Zeit haben ihn errichtet.»
Und so wurden die Aufrufe losgeschickt. Bringt jeden Mann, hieß es in den Pergamenten, bringt alle Waffen und sprecht eure
Gebete, denn alle Kampfkraft, die Wessex noch verblieben ist, wird sich bei Egberts Stein sammeln, um gegen die Dänen Krieg
zu führen.
Kaum waren die Befehle verschickt, kam ein Schreiben von Huppa, dem Aldermann von Thornsæta. Er meldete, dass vierzig dänische
Schiffe vor seiner Küste lägen und dass er es angesichts dieser Bedrohung nicht wagen könne, seinen Fyrd abzuziehen. Schlimmer
noch, die Dänen seien so zahlreich, dass er Harald von Defnascir gebeten habe, ihm Kämpfer zu überlassen.
Als Alfred diesen Brief las, verließ ihn der Mut. Er hatte davon geträumt, Guthrum mit einer unerwartet mächtigen Armee überraschen
zu können, doch nun sah er sich um alle Hoffnung betrogen. Er war immer dünn, aber plötzlich wirkte er geradezu abgezehrt.
Er verbrachte Stunden in der Kapelle, rang mit seinem Gott und konnte nicht |406| verstehen, warum sich der Allmächtige plötzlich von ihm abgewandt hatte. Zwei Tage nach Eintreffen dieser Nachricht führte
Svein vom Weißen Pferd dreihundert Reiter in das Hügelland am Rand der Marschen und raubte dem Fyrd von Sumorsæte, von dem
sich einige Dutzend Männer auf Æthelingæg versammelt hatten, sämtliche Pferde. Sie hatten auf den Weiden jenseits der Brücke
gestanden, weil es für sie auf der Insel weder genügend Raum noch Futter gab. Von der Festung aus musste ich mit ansehen,
wie Svein auf seinem weißem Pferd, mit weißem Mantel und weißgefiedertem Helm die Tiere zusammentreiben und wegführen ließ.
Ich konnte nichts tun, um ihn aufzuhalten. Ich hatte zwanzig Mann, und Svein befehligte Hunderte.
«Wurden die Pferde nicht bewacht?», wollte Alfred wissen.
«Doch», sagte Wiglaf, der Aldermann von Sumorsæte, «und die Wachen wurden getötet.» Er sah Alfreds Wut, nicht aber seine Verzweiflung.
«Wir haben hier seit Wochen keinen Dänen mehr gesehen», klagte er. «Wie hätten wir ahnen sollen, dass sie plötzlich in Scharen
auftauchen?»
«Wie viele Männer wurden getötet?»
«Nur zwölf.»
«Nur?» Alfred zuckte zusammen. «Und wie viele Pferde sind verloren?»
«Dreiundsechzig.»
Am Vorabend des Himmelfahrtstages ging Alfred am Fluss entlang. Beocca folgte ihm wie ein treuer Hund auf dem Fuße. Er wollte
dem König Gottes Beistand versichern, doch Alfred zog es vor, mit mir zu sprechen. Das Licht des Mondes ließ seine Wangen
noch fahler erscheinen, als sie es ohnehin waren. «Wie viele Männer werden wir haben?», fragte er unvermittelt.
|407| Ich brauchte nicht lange zu überlegen. «Zweitausend.»
Er nickte. Er kannte die Zahl so gut wie ich.
«Vielleicht auch mehr.»
Er brummte zweifelnd. Wir hatten dreihundertfünfzig Männer auf Æthelingæg, und Wiglaf, der Aldermann von Sumorsæte, hatte
tausend Kämpfer zugesagt, obwohl ich bezweifelte, dass er mit so vielen kommen würde. Der Fyrd von Wiltunscir war durch Wulfheres
Abtrünnigkeit erheblich geschwächt, doch immerhin standen im Süden der Grafschaft rund fünfhundert Männer bereit. Wir konnten
auch auf Verstärkung aus Hamptonscir hoffen, doch darüber hinaus hingen wir davon ab, wie viele Männer an den dänischen Festungen
vorbeikommen würden, die einen Ring um das Kernland von Wessex bildeten. Mit den Truppen von Defnascir und Thornsæta hätten
wir eine Zahl von viertausend erreicht, doch sie würden nicht kommen.
«Und Guthrum?», fragte Alfred. «Wie viele Kämpfer schickt er ins Feld?»
«Viertausend.»
«Eher fünftausend», sagte Alfred. Er starrte auf den Fluss, der zwischen den
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