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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Sterben ein, und ich brüllte, dass wir kommen würden. «Gott steh uns bei», sagte Steapa.
    «Gott steh uns bei», wiederholte Pyrlig.
    Ich wollte nicht gehen. Ich fürchtete mich, doch noch mehr als den Tod auf dem Wall fürchtete ich es, ein Feigling genannt
     zu werden. Und so schrie ich meinen Männern zu, sie sollten die Bastarde vierteilen, und rannte los. Ich sprang über die Leichen
     im Graben, verlor auf der anderen Seite den Halt und stürzte auf meinen Schild. Schnell wälzte ich mich zur Seite, damit kein
     Däne mir seinen Speer in den ungeschützten Rücken bohren konnte. Dabei verdrehte sich mein Helm, sodass ich halb blind war.
     Ich richtete ihn mit der Schwerthand wieder gerade, stand auf und stieg weiter nach oben, zusammen mit Steapa und Pyrlig,
     und ich wartete auf den ersten Hieb der Dänen.
    Doch er kam nicht. Den Kopf unter meinem Schild geduckt, erklomm ich den Rand des Walls, darauf gefasst, dass mich ein tödlicher
     Hieb traf. Aber mit einem Mal war es still. Ich senkte den Schild und dachte, ich sei gestorben, denn mein Blick fiel nur
     auf Wolken und Leere. Die Dänen waren verschwunden. Eben hatten sie uns noch als Weiber und Feiglinge verhöhnt und damit geprahlt, |501| wie sie uns die Bäuche aufschlitzen und unsere Gedärme den Raben verfüttern würden, und nun waren sie weg. Ich richtete mich
     auf und sah vor mir einen weiteren Graben und einen zweiten Wall, den die Dänen hinaufkletterten. Zuerst glaubte ich, dass
     sie nun von dort aus unseren Angriff abwehren wollten, doch dann sah ich, dass sie hinter dem zweiten Wall verschwanden. Pyrlig
     packte mich beim Arm und zog mich weiter. «Sie laufen weg», rief er. «Bei Gott, die Bastarde laufen vor uns weg.» Er musste
     laut brüllen, um sich über das Rauschen des Regens verständlich zu machen.
    «Weiter! Weiter!», schrie jemand, und wir ließen uns in den zweiten, ebenfalls überfluteten Graben rutschen und erklommen
     den inneren Wall, der nicht verteidigt wurde. Und da sah ich, dass es Osrics Männern, dem Fyrd von Wiltunscir, der am Anfang
     der Schlacht auseinandergerissen wurde, gelungen war, die Wälle der Festung zu überwinden. Später erfuhren wir, dass sie durch
     die Senke am Ostrand des Walles, wo Sveins toter Schimmel lag, aufgestiegen waren und im Schutz der dichten Regenschleier
     die Festung erstürmt hatten. Der Wall war dort sehr viel niedriger, kaum mehr als ein grasbewachsener Grat über dem Steilhang.
     Guthrum hatte mit einem Angriff von dieser unzugänglichen Stelle nicht gerechnet und darum dort auch nur wenige Wachen aufgestellt.
     So konnte Osrics Fyrd unbemerkt in die Festung eindringen und den dänischen Verteidigern in den Rücken fallen.
    Und jetzt rannten sie um ihr Leben. Wären sie geblieben, wäre einer nach dem anderen abgeschlachtet worden, und so flohen
     sie über die weite Innenfläche der Festung. Alle, die nicht schnell genug erkannten, dass die Schlacht für sie verloren war,
     wurden von uns eingeschlossen. Ich wollte mich nur noch für Iseults Tod rächen, brachte zwei |502| Flüchtende zu Fall und hackte so wütend mit dem Schwert auf sie ein, dass die Klinge tief wie eine Axt durch Kettenglieder,
     Leder und Fleisch drang. Ich schrie meine Wut hinaus und verlangte nach weiteren Blutopfern, aber wir waren zu viele, und
     die eingekesselten Dänen zu wenige. Immer weiter regnete es, und die Donner grollten, während ich nach Feinden suchte, die
     ich umbringen könnte. Da fiel mein Blick auf eine letzte Gruppe von Dänen, die sich, Rücken an Rücken kämpfend, eines Schwarms
     von Sachsen zu erwehren suchten. Ich lief auf sie zu, und plötzlich sah ich ihr Banner. Die Adlerschwinge. Es war Ragnar.
    Seine Männer, in der Minderheit und überwältigt, starben. «Lasst ihn leben», schrie ich, «lasst ihn leben!» Drei Sachsen sahen
     sich nach mir um, und sie sahen meine langen Haare und die breiten, glänzenden Reifen über den Ärmeln meines Kettenhemdes.
     Offenbar hielten sie mich für einen Dänen, denn sie rannten auf mich zu. Den Ersten wehrte ich mit dem Schwert ab. Der Zweite
     hieb mit seiner Axt auf meinen Schild ein, während der Dritte mich von hinten niederzustrecken versuchte. Ich wirbelte mit
     Schlangenhauch herum und gab mich mit lautem Ruf als Sachse zu erkennen, doch sie hörten mich nicht. Dann warf sich Steapa
     zwischen sie, und sie liefen weg. Pyrlig ergriff meinen Arm, doch ich schüttelte ihn ab und rannte zu Ragnar, der allein inmitten
     von Sachsen

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