Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Halle. Iseult fand unbehelligt Zutritt, und wie ich sah, waren auch andere Frauen zugegen, die von der
     Seite aus das Geschehen mitverfolgten.
    Es hatten sich über hundert Männer versammelt. Allerdings bildeten nur vierzig oder fünfzig Thegn und Geistliche den eigentlichen
     Rat. Sie saßen auf Stühlen und Bänken im Halbkreis vor der erhöhten Plattform, auf der Alfred thronte, flankiert von zwei
     Priestern und Ælswith, seiner Frau, die schwanger war. Hinter ihnen erhob sich ein Altar, bedeckt mit rotem Tuch, auf dem
     dicke Kerzen standen und ein schweres silbernes Kreuz. An den Wänden ringsum liefen hölzerne Podeste entlang, auf denen gewöhnlich
     geschlafen und gegessen wurde, weil es dort nicht so zugig war wie auf dem Boden. Heute aber drängten sich auf ihnen die Gefolgsleute
     der Edelmänner des Witan, darunter natürlich viele Priester und Mönche, denn Alfreds Hof glich eher einem Kloster denn einem
     Königshaus. Beocca gab Iseult und Haesten durch einen Wink zu verstehen, dass sie sich zu den Zuschauern gesellen sollten,
     und führte mich in den Halbkreis der privilegierten Ratsherren.
    Niemand hatte meine Ankunft bemerkt. Es war düster in dem Saal, denn durch die kleinen Fenster fiel nur wenig Licht. Ein paar
     Kohlenpfannen glühten, doch statt Wärme zu verbreiten, verdichteten sie nur den Rauch, der zwischen den hohen Deckenbalken
     hing. Die Feuerstelle |167| in der Mitte war entfernt worden, um Platz für die Stühle der Witanegemot zu schaffen. Als ich herankam, war gerade ein großgewachsener
     Mann in blauem Umhang aufgestanden und sprach von der Notwendigkeit, Brücken zu reparieren; er beklagte, dass die örtlichen
     Thegn ihre Verpflichtungen nicht erfüllten, und riet dem König, einen Amtmann zur Kontrolle der öffentlichen Straßen einzusetzen.
     Ein anderer Ratsherr unterbrach ihn und erklärte, dass eine solche Amtsbestellung die Privilegien der regionalen Aldermänner
     beschneiden würde. Daraufhin erhob sich ein Chor von Stimmen. Manche waren für, die meisten gegen den Vorschlag. Zwei Priester,
     die an einem kleinen Tisch neben Alfreds Podest saßen, bemühten sich, alles mitzuschreiben. Unter den Ratsherren fiel mir
     als erster Wulfhere auf, der Aldermann von Wiltunscir, der ungehemmt gähnte. Neben ihm saß Bischof Alewold von Exanceaster,
     in dicke Pelze gehüllt. Von mir nahm immer noch keiner der Anwesenden Notiz. Beocca hielt mich zurück. Es schien, als wolle
     er eine Gesprächspause abwarten, um mich zu meinem Platz zu führen. Zwei Diener schleppten Körbe voller Brennholz für die
     Kohlenpfannen herbei. In diesem Augenblick fiel Ælswiths Blick auf mich. Sie beugte sich zu Alfred und flüsterte ihm etwas
     ins Ohr. Er hatte seine Aufmerksamkeit ganz den Verhandlungen gewidmet, doch nun starrte er mich über seine Ratsherren hinweg
     an.
    In der großen Halle wurde es schlagartig still. Ein Raunen war durch die Menge gegangen, als die Männer bemerkten, dass der
     König von der Frage der Brücken abgelenkt wurde, und dem Blick des Königs folgend, richteten sich alle Augen auf mich. Die
     Stille wurde erst unterbrochen, als ein Priester plötzlich niesen musste, und sofort darauf rückten die Männer, die vor mir
     neben den kalten |168| Herdsteinen saßen, zur Seite. Aber nicht, um mir Platz zu machen, sondern um mir auszuweichen.
    Ælswith lächelte, und da wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten war. Unwillkürlich fuhr meine Hand an die linke Seite, doch
     ich hatte ja das Schwert ablegen müssen und konnte darum nicht nach seinem Heft greifen, wovon ich mir sonst immer Glück versprach.
     «Über die Brücken reden wir später weiter», sagte Alfred und stand auf. Er trug einen bronzenen Reif als Krone und eine mit
     Pelz besetzte blaue Robe, die farblich zu dem Gewand seiner Gemahlin passte.
    «Was geht hier vor?», fragte ich Beocca.
    «Seid still!» Es war Odda der Jüngere, der da sprach. Er hatte sich wie zum Kampf gerüstet und trug unter einem schwarzen
     Umhang ein schimmerndes Kettenhemd, hohe Lederstiefel und ein Waffengehenk aus rotem Leder, an dem sein Schwert hing, denn
     als Befehlshaber der königlichen Truppen war es ihm erlaubt, den Palas bewaffnet zu betreten. Ich sah ihm in die Augen und
     erkannte, dass er triumphierte, genauso wie ich den Triumph in Lady Ælswiths verkniffenem Gesicht erkannt hatte. Ich war nicht
     gerufen worden, um einen Gunstbeweis des Königs zu empfangen, sondern um meinen Feinden gegenüberzutreten.
    Und so

Weitere Kostenlose Bücher