Der weiße Reiter
entgegnete ich.
«Darüber verhandeln wir hier nicht», erklärte Erkenwald überheblich. «Uns geht es darum festzustellen, ob Ihr durch einen
frevlerischen Angriff auf Cynuit den Frieden des Königs gebrochen habt.»
«Dann hört meine Männer», verlangte ich. «Bringt sie her, lasst sie schwören und Auskunft darüber geben, wo und wie sie den
Sommer verbracht haben.» Ich wartete |177| auf eine Antwort, doch Erkenwald schwieg. Hilfesuchend schaute er sich nach dem König um, doch der hatte die Augen geschlossen.
«Oder habt Ihr es mit meiner Hinrichtung so eilig, dass Ihr es nicht wagt, die Wahrheit zu hören?»
«Ich habe Steapas Schwur und Zeugnis vernommen», entgegnete Erkenwald, als ob damit alle anderen Beweise überflüssig wären.
Er wirkte unruhig.
«Von mir könnt Ihr auch einen Schwur haben», entgegnete ich, «und von Leofric und von einem anderen Mitglied der Besatzung.»
Ich drehte mich um und winkte Haesten herbei, der Angst zu haben schien, befragt zu werden, aber von Iseult gedrängt wurde,
mir beizustehen. «Lasst ihn schwören», verlangte ich von Erkenwald.
Erkenwald wusste nicht, was er tun sollte, doch riefen mehrere Mitglieder des Witan, dass mir das Recht zustünde, eigene Zeugen
aufzurufen, und so trat ein Priester mit der Bibel zu Haesten. Ich schickte ihn fort, zog mein Amulett mit Thors Hammer hervor
und sagte: «Er wird darauf schwören.»
«Ist er denn kein Christ?», fragte Erkenwald erstaunt.
«Er ist Däne», antwortete ich.
«Wie könnten wir dem Wort eines Dänen trauen?», wandte Erkenwald ein.
«Euer König tut’s», erwiderte ich. «Er traut Guthrums Wort, den Frieden zu wahren. Warum also sollte diesem Dänen nicht zu
trauen sein?»
Ich sah manche Ratsherren schmunzeln. Ein Großteil des Witan dachte insgeheim, Alfred sei zu leichtgläubig gegenüber Guthrum,
und ich spürte, wie sich die Stimmung in der Halle zu meinen Gunsten wendete. Doch dann schritt der Erzbischof ein und verkündete,
dass der Schwur eines Heiden wertlos sei. «Er trete zurück», blaffte er.
|178| «Dann lasst Leofric schwören», forderte ich. «Und bringt meine Mannschaft her, damit sie Zeugnis ablegen kann.»
«Wir würden immer nur die gleichen Lügen hören», sagte Erkenwald. «Außerdem sind die Vorkommnisse bei Cynuit nicht der einzige
Gegenstand dieser Verhandlung. Bestreitet Ihr, das Schiff des Königs entwendet, Kurs auf Cornwalum genommen, Peredur verraten
und Christenmenschen getötet zu haben? Behauptet Ihr etwa, Bruder Asser habe ein falsches Zeugnis abgelegt?»
«Und was, wenn Euch Peredurs königliche Gemahlin bestätigte, dass Asser lügt?», fragte ich. Erkenwald starrte mich an. Alle
starrten mich an, als ich über die Schulter blickte und Iseult nach vorn winkte. Mit stolz erhobenem Kopf trat sie vor das
Podest, in ihrem Nacken und an den Handgelenken blitzte das Silber. «Peredurs Königin», verkündete ich. «Sie wird beschwören,
dass ihr Gemahl zusammen mit den Dänen über Wessex herfallen wollte.»
Diese Behauptung war natürlich reiner Unsinn, aber etwas Besseres fiel mir so schnell nicht ein, und Iseult, das wusste ich,
würde schwören, dass es die Wahrheit war. Eine gefährlich lose Planke meines Standpunktes war zwar die naheliegende Frage,
warum Svein den britonischen König bekämpft hatte, wenn dieser doch bereit gewesen war, den Dänen zu unterstützen. Doch das
zählte jetzt nicht, denn ich hatte so viel Verwirrung gestiftet, dass Erkenwald nicht mehr ein noch aus wusste. Etliche Ratsherren
hatten sich von ihren Plätzen erhoben, um Iseult in Augenschein zu nehmen, die ihre Blicke ruhig und gelassen zurückgab. Alfred
und der Erzbischof steckten die Köpfe zusammen. Den schwangeren Bauch mit der Hand gestützt, mischte sich Ælswith flüsternd
in ihr Gespräch ein. Aus Furcht, was sie zu hören bekommen könnten, wagten sie nicht, |179| Iseult zu befragen, und ich vermute, Alfred war sich im Klaren darüber, dass sich dieses ohnehin schon in Lügen verstrickte
Verfahren nur noch unheilvoller entwickeln konnte.
«Sehr geschickt, Earsling», murmelte mir Leofric zu. «Du bist wirklich sehr geschickt.»
Odda der Jüngere sah den König an und dann die Mitglieder des Witans. Anscheinend ahnte er, dass ich seiner Falle zu entschlüpfen
drohte. Er zog Steapa beiseite und redete auf ihn ein. Der König runzelte die Stirn, der Erzbischof war sprachlos, Ælswiths
Gesicht war vor Wut ganz fleckig und
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