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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Bischof.
    Alfred schien neue Hoffnung zu schöpfen. «Also dann morgen», sagte er.
    Ich war nicht darauf erpicht, dem Wunder beizuwohnen, und bestieg stattdessen einen Kahn. Ich fuhr zu einem Ort namens Æthelingæg,
     der, am Südrand des Sumpfes gelegen, die größte aller Marschensiedlungen war. Leofric blieb bei Alfred, um den König und seine
     Familie zu beschützen, während ich die Gegend erkundete und etliche Pfade entdeckte, auf denen sich die wässrige Welt erschließen
     ließ. Diese Wege hießen Knüppelpfade und bestanden aus Hölzern, die unter den Schritten kurz einsanken, doch auf denen man
     lange Strecken hinter sich bringen konnte. Da waren auch Flussläufe, die durch das Schwemmland mäanderten. Der größte von
     ihnen, der Pedredan, floss nahe der Insel von Æthelingæg vorbei, die zum Großteil von einem Erlenwald bedeckt war, in dem
     Rotwild und Ziegen lebten. Auf der höchsten Stelle der Insel lag die stattliche Siedlung, deren Anführer sich eine geräumige
     Wohnhalle gebaut hatte. Sie war bei weitem nicht so stattlich wie ein königlicher Palas, nicht einmal so groß wie meine neue
     Halle in Oxton, aber immerhin konnte ein Mann aufrecht darin stehen, und die Insel war groß genug, um ein kleines Heer zu
     unterhalten.
    Zwölf Knüppelpfade führten aus Æthelingæg heraus, doch kein einziger reichte bis zum Festland. Für Guthrum war dieser Ort
     kaum anzugreifen, denn er würde mit seinen |249| Truppen den Sumpf durchqueren müssen. Svein aber, von dem wir inzwischen wussten, dass er die Dänen bei Cynuit an der Mündung
     des Pedredan anführte, würde sich der Siedlung leicht nähern können, indem er mit den Schiffen flussaufwärts segelte und hinter
     Æthelingæg in den Fluss Thon einbog, der an der Insel vorbeiströmte. Ich fuhr mit meinem Kahn auf die Mitte dieses Flusses
     hinaus und bestätigte meine Befürchtung, dass er für die Drachenschiffe der Dänen tief genug war.
    Ich kehrte an den Zusammenfluss von Thon und Pedredan zurück. Jenseits des Pedredan erhob sich ein steiler Bergkegel, der
     wie ein riesiger Grabhügel die Marschenlandschaft überragte und wie geschaffen für die Anlage einer Festung schien. Wenn man
     eine Brücke über den Pedredan spannte, würde kein dänisches Schiff den Thon erreichen.
    In der Ortschaft selbst suchte ich das Oberhaupt auf, einen alten Griesgram namens Haswold, der von der Vorstellung, uns zu
     helfen, nicht gerade begeistert war. Ich versprach ihm gutes Silber, wenn er eine Brücke über den Pedredan bauen ließe, doch
     Haswold erklärte, der Krieg zwischen Wessex und den Dänen ginge ihn nichts an. «Dort drüben», sagte er und deutete vage auf
     die Hügel im Osten, «herrscht Irrsinn, und das schon seit langem, aber wir hier im Sumpf kümmern uns nur um unsere eigenen
     Angelegenheiten. Niemand kümmert sich um uns, und wir kümmern uns nicht um andere.» Er hatte kleine listige Augen, ein verschlagenes
     Gesicht und stank nach Fisch und Rauch. Sein Wams aus Otterfellen schien mit Tran getränkt zu sein, und in seinem struppigen
     grauen Bart hingen Fischschuppen. Er hatte ein halbes Dutzend Frauen, die jüngste von ihnen war noch ein Kind, das gut und
     gern seine Enkelin hätte sein können. Er begrapschte sie vor meinen Augen und wollte damit anscheinend seine |250| Männlichkeit unter Beweis stellen. «Ich bin glücklich und zufrieden», sagte er mit einem anzüglichen Grinsen. «Was schert
     mich Euer Glück?»
    «Die Dänen könnten Eurem Glück sehr schnell ein Ende bereiten.»
    «Die Dänen?» Er lachte und verschluckte sich dabei. «Wenn die Dänen kommen», sagte er hustend, «weichen wir tief in die Sümpfe
     zurück. Dann ziehen sie wieder ab.» Er grinste mich an, und ich hatte gute Lust, ihn zu töten, doch das hätte mir nichts geholfen.
     In der Ortschaft wohnten an die fünfzig Männer, und ich hätte allenfalls zehn Herzschläge überlebt, zumal einer von ihnen
     wahrhaftig zum Fürchten war. Es war ein großer, breitschultriger Kerl mit idiotischer Miene. Doch mehr als seine Statur ängstigte
     mich der lange Jagdbogen, den er bei sich trug. Nicht einer dieser kleinen Bogen, wie sie die meisten Männer in der Marsch
     besaßen, um damit Enten und Gänse zu erlegen, sondern ein Hirschtöter, groß wie ein Mann und durchaus in der Lage, mit seinen
     Pfeilen ein Kettenhemd zu durchbohren. Haswold schien meine Furcht zu spüren, denn er rief den Kerl herbei, damit er ihm zur
     Seite stand. Der Mann wirkte

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