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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verwirrt ob dieser Aufforderung, gehorchte aber. Sein Herr fuhr mit gichtiger Hand unter die
     Kleidung des Mädchens, richtete seinen Blick auf mich, während er es befingerte, und lachte über mich und was er für mein
     erzwungenes Stillhalten hielt. «Kommen die Dänen», wiederholte er, «fliehen wir in die Sümpfe, und die Dänen ziehen wieder
     ab.» Er schob seine Hand tiefer unter das Kleid aus Ziegenhaut und begrapschte die kleinen Brüste. «Denn sie können uns nicht
     folgen. Wenn sie es täten, würde Eofer sie umbringen.» Eofer war der Bogenschütze, der, als er seinen Namen erwähnt hörte,
     zuerst aufschreckte und dann besorgt die Stirn runzelte. |251| «Eofer ist mein Mann», prahlte Haswold. «Er lässt seine Pfeile da einschlagen, wo ich es will.» Eofer nickte.
    «Euer König will, dass eine Brücke gebaut wird», sagte ich. «Eine Brücke und eine Festung.»
    «König?» Haswold schaute auf sein Dorf hinaus. «Ich kenne keinen König, und wenn hier einer König ist, dann bin ich es.» Er
     prustete vor Lachen. Ich blickte in die Runde der Dorfbewohner und sah nichts als ausdruckslose Gesichter. Niemand teilte
     Haswolds Vergnügen. Mir schien, dass sie unter seiner Herrschaft alles andere als glücklich waren. Vielleicht ahnte er, was
     ich dachte, denn plötzlich wurde er wütend und stieß das Mädchen von sich. «Verschwinde!», brüllte er mich an. «Und lass dich
     nie wieder blicken!»
    Ich ging und kehrte zu Alfred auf die kleinere Insel zurück. Sein Sohn lag im Sterben. Es wurde Abend, und der Bischof hatte
     mit seinen Bittgebeten an die heilige Agnes nichts erreicht. Von Eanflæd erfuhr ich, dass Alewold den König überredet hatte,
     eine seiner kostbarsten Reliquien zu opfern. Es war die Feder der Taube, die Noah von der Arche hatte aufsteigen lassen. Alewold
     hatte diese Feder in zwei Teile zerschnitten, Alfred den einen Teil zurückgegeben und den anderen in einer sauber geputzten
     Pfanne zu Asche verbrannt, die er dann in geweihtem Wasser verrührte, das Ælswith ihren Sohn zu trinken zwang. Er war in ein
     Lammfell gewickelt worden, denn das Lamm war Symbol der heiligen Agnes, die als Kind in Rom den Märtyrertod erlitten hatte.
    Doch weder die Feder noch das Lammfell zeitigten die erhoffte Wirkung. Im Gegenteil, dem Jungen ging es immer schlechter.
     Alewold saß an seinem Bett und betete. «Er gibt ihm die Sterbesakramente», sagte Eanflæd. Sie hatte Tränen in den Augen und
     sah mich an. «Kann Iseult helfen?»
    |252| «Der Bischof erlaubt es nicht», sagte ich.
    «Er erlaubt es nicht?», empörte sie sich. «Liegt er im Sterben oder der Junge?»
    Also wurde Iseult schließlich doch gerufen. Alfred kam aus der Hütte, gefolgt von Alewold, der Ketzerei witterte. Edward hustete
     wieder, und die schrecklichen Laute erfüllten die abendliche Stille, Alfred zuckte zusammen, dann wollte er wissen, ob Iseult
     seinen Sohn heilen könne.
    Iseult antwortete nicht sofort. Stattdessen wandte sie sich um und sah zum Mond auf, der aus Nebeln über den Sümpfen stieg.
     «Der Mond nimmt zu», sagte sie.
    «Kennst du ein Heilmittel?», flehte Alfred.
    «Ein zunehmender Mond ist günstig», sagte Iseult geheimnisvoll. Dann drehte sie sich zum König um. «Es hat aber seinen Preis.»
    «Was immer du willst», erwiderte er.
    «Ich verlange nichts für mich», sagte sie, verärgert darüber, missverstanden worden zu sein. «Alles hat seinen Preis. Wenn
     der eine leben soll, muss ein anderer sterben.»
    «Ketzerei!», rief Alewold.
    Ich glaube kaum, dass Alfred Iseults Worte verstanden hatte oder ihn ihre Bedeutung überhaupt kümmerte. Er nahm nur die schwache
     Hoffnung wahr, dass sie vielleicht helfen würde. «Kannst du meinen Sohn heilen?»
    Nach kurzem Zögern nickte Iseult. «Es gibt einen Weg», sagte sie.
    «Welchen Weg?»
    «Meinen.»
    «Ketzerei!», warnte Alewold abermals.
    «Bischof!», drohte Eanflæd, und er wandte sich verlegen ab.
    «Jetzt?», drängte Alfred.
    |253| «Morgen Abend», entgegnete Iseult. «Es ist Zeit und Vorbereitung nötig. Wenn er bis morgen Abend lebt, kann ich helfen. Ihr
     müsst ihn zu mir bringen, wenn der Mond aufgeht.»
    «Geht es nicht sofort?», flehte Alfred.
    «Morgen Abend», beharrte Iseult.
    «Morgen ist das Fest des heiligen Vincent», sagte Alfred, offenbar in dem Glauben, das könne eine Bedeutung haben. Tatsächlich
     überlebte der Junge den folgenden Tag, den Tag des heiligen Vincent. Iseult führte mich ans östliche Ufer, wo wir

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