Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
den Ausdruck Kolonie nicht, begriff aber, dass der andere das Landlos meinte, das Ramón de Gamuzana im Auftrag der mexikanischen Regierung besiedeln sollte, und nickte. »Das stimmt! Ich bin für den nördlichen Teil zuständig und soll die Leute draußen im Lager dorthin führen.«
Der andere lächelte. »Entschuldigen Sie, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Stephen Austin. Ich bin auch Empresario, doch die mexikanischen Behörden machen es mir derzeit nicht leicht. Meine Kolonie heißt übrigens ebenfalls San Felipe, so wie diese Stadt hier.«
»Ich bin Walther Fichtner und habe bereits von Ihnen gehört. Ihre Kolonie soll aus Nordamerikanern bestehen.« Walther klang etwas zweifelnd, da er dieses Volk nach den Erfahrungen mit Spencer und dessen Leuten nicht gerade mochte. Allerdings wirkte Stephen Austin nicht wie ein Hinterwäldler, sondern wie ein gebildeter Herr.
»Ich weiß, dass meine Landsleute hier in Texas nicht beliebt sind. Dabei wollen wir nur Land bebauen, von dem wir leben können, und gerecht regiert werden«, antwortete Austin. Dann drehte er mit einer hilflosen Geste die Handflächen nach oben. »Tausende, die in Louisiana, Tennessee oder Alabama kein Auskommen mehr finden, würden liebend gerne nach Texas kommen und dieses Land in ein Paradies verwandeln, wenn die mexikanische Regierung sie nur ließe.«
»Sie kommen, auch ohne dass sie gerufen werden«, antwortete Walther mit einer gewissen Schärfe.
»Sie kommen, weil die Not sie drängt und weil sie von Verwandten und Freunden gehört haben, dass sie hier in Texas ihr Glück machen können. Die mexikanische Regierung ist nicht in der Lage, sie aufzuhalten, und sollte diese Menschen daher als Chance ansehen, das eigene Land zu besiedeln.«
Obwohl Austins Worte schlüssig klangen, widersprach Walther ihm. »Viele dieser Menschen vergessen, dass das hier nicht die Vereinigten Staaten sind, sondern Mexiko, ein Land mit einer anderen Geschichte, einer anderen Kultur und einer anderen Sprache.«
Diese Aussage traf den Kern des Problems, und Austin verzog schmerzhaft das Gesicht. Dennoch verteidigte er seine Landsleute. »Die neuen Siedler würden sich an Mexiko gewöhnen, wenn sie das Gefühl hätten, gerecht regiert zu werden. Doch die Provinzregierung befindet sich Hunderte Meilen von hier entfernt in Saltillo. Für wichtige Dinge muss man sogar bis nach Mexico City reisen. Die mexikanische Regierung sollte Texas zu einer eigenen Provinz machen, mit der Hauptstadt San Antonio, einem frei gewählten Gouverneur und einem eigenen Parlament.«
»Die mexikanische Regierung müsste dann jedes Mal, wenn den Americanos etwas nicht passt, damit rechnen, dass diese ihre Unabhängigkeit verlangen und rebellieren, wie es ihre Staaten an der Atlantikküste mit den Engländern gemacht haben.«
»Dieses Argument führen viele Mexikaner im Mund«, antwortete Austin unwirsch. »Aber dazu muss es nicht kommen, wenn Mexiko ein demokratischer Staat mit gewählter Regierung bleibt und die Korruption bekämpft wird, die heutzutage die Entwicklung des gesamten Nordens behindert. Sie sollten auch keine Soldaten mehr heraufschicken, die sich wie Besatzungstruppen aufführen und jeden, der ein offenes Wort führt, ohne jeden Richterspruch einsperren.«
Zuletzt klang Austin so eindringlich, dass Walther sich fragte, was in belebteren Gegenden von Tejas passiert sein mochte. Andererseits konnte er es den Mexikanern nicht verdenken, wenn sie gegen jene vorgingen, die gegen jedes Recht hier eindrangen und nun einem Anschluss an die Vereinigten Staaten das Wort redeten. Daher schüttelte er den Kopf.
»Es tut mir leid, Mister Austin, aber ich bin Farmer, und die mexikanische Regierung hat mir das Land, auf dem ich mit meiner Familie lebe, geschenkt. Weshalb sollte ich mich jetzt auf die Seite von ein paar Americanos stellen, die das große Wort schwingen?«
»Ich hatte gehofft, ich könnte mit Ihnen reden.« Austin winkte der Kellnerin, zahlte und verließ grußlos die Cantina.
11.
A m nächsten Morgen saß Walther noch beim Frühstück, als der Hoteldiener Felipe hereinstolperte und vor ihm stehen blieb.
»Señor, Don Hernando will Sie sofort sprechen!«
»Hernando de Gamuzana?«, fragte Walther verwirrt.
Er hätte nicht gedacht, dass der Alcalde nach der Geburtstagsfeier für seine Tochter so früh in die Stadt kommen würde. Er fragte sich, was Gamuzana so wichtig war, dass dieser ihn so dringend zu sprechen wünschte. Er aß noch rasch
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