Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
drei Vaqueros, um Vorräte zu holen, und Pepe hielt sich abseits. Zwar erledigte er seine Arbeit, doch er aß weder mit den beiden Frauen, noch beteiligte er sich an ihren Gesprächen. Zuerst war es mühsam gewesen, sich zu verständigen, aber mit der Zeit lernte Nizhoni immer mehr deutsche und spanische Begriffe. Aber sie mischte diese in einer Weise, dass Gisela immer wieder lachen musste.
Ihr ging es mittlerweile besser. Trotzdem war sie froh um die junge Indianerin, denn die Einsamkeit ohne Walther wäre kaum zu ertragen gewesen. Zudem erwies Nizhoni sich als gelehrige Helferin und kümmerte sich rührend um Josef, ohne Gisela dabei das Gefühl zu geben, sie wolle ihr den Sohn wegnehmen.
»Walther ist jetzt schon über drei Wochen fort«, sagte Gisela an diesem Abend entsagungsvoll.
Bisher hatte Nizhoni nicht gewagt, ihr zu sagen, dass sie sich vor Fahles Haar fürchtete und ganz froh darüber war, dass dieser sich in der Ferne aufhielt. Ihr blieb jedoch nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was sie antworten sollte, denn in dem Augenblick platzte Pepe ins Haus und wies zitternd nach draußen.
»Indios! Viele Indios! Sie werden uns alle massakrieren!«
Gisela erschrak im ersten Moment, presste dann aber entschlossen die Kiefer zusammen und holte die Pistole. Es war ein wertvolles Stück, kleiner als die hier im Lande gebräuchlichen Waffen und mit zwei gezogenen Läufen, mit denen Walther noch auf dreißig Schritt eine Taube traf. Sie konnte nicht so gut schießen, war aber bereit, sich selbst, Nizhoni und vor allem den kleinen Josef gegen alle Indianer der Welt zu verteidigen.
Mit der Waffe in der Hand trat sie ans Fenster und blickte hinaus. Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte sie gelacht. Es waren nur drei Indianer und nicht eine ganze Schar, wie Pepe behauptet hatte. Da sie die einzelnen Stämme nicht auseinanderhalten konnte, winkte sie Nizhoni zu sich.
»Weißt du, was das für Leute sind?«
Nizhoni musterte die drei Reiter, die nun langsam näher kamen, und nickte. »Es sein Karankawa! Werden kämpfen müssen.«
Zwar hatte sie nicht das volle Zutrauen in Giselas Schießkünste, doch diese konnte mit ihren zwei Läufen ebenso viele Karankawa verletzen. Um den dritten würde sie sich kümmern. Daher holte sie das größte Messer, das im Haus zu finden war, und versteckte es unter ihrem Kleid.
»Wir müssen den Riegel vorlegen, damit die Indios nicht ins Haus kommen«, rief Pepe verzweifelt.
Als Gisela es tun wollte, hielt Nizhoni sie auf. »Nicht gut! Dann zünden Karankawa Haus an. Wenn wir hinaus, bringen uns um. Wir stark sein müssen, zeigen keine Angst!«
»Dann sollte Pepe sich am besten unsichtbar machen«, antwortete Gisela in einem Anflug von Galgenhumor, denn der Peon schlotterte vor Furcht und verkroch sich prompt in der dunkelsten Ecke hinter dem Bett.
Sie wandte sich wieder dem Fenster zu und sah, dass zwei Reiter abstiegen und dem dritten die Zügel ihrer Pferde reichten. Als sie vorsichtig auf das Haus zukamen, hielt einer eine Kriegskeule in der Hand, während der andere einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens legte.
Nizhoni legte Gisela eine Hand auf die Schulter. »Wenn Kampf, du nur einen töten. Andere Kugel du brauchen für Reiter. Ich zweiten Mann töten.«
Die Ruhe, die Nizhoni ausstrahlte, erfasste auch Gisela. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und richtete die Pistole auf die Tür. Diese wurde ganz langsam geöffnet, und dann steckte der erste Indianer den Kopf herein. Angesichts der Pistole zuckte er zurück, begriff aber dann, dass ihm nur zwei Frauen gegenüberstanden, und trat ein. Sein Gefährte folgte ihm auf dem Fuß. Ohne die Waffe in Giselas Hand zu beachten, fingen sie an, das Haus zu durchsuchen, und legten die Gegenstände, die ihnen gefielen, auf den Tisch.
»Das solltet ihr bleiben lassen«, sagte Gisela zuerst auf Deutsch und wiederholte es dann auf Spanisch.
Einer der Indianer drehte sich mit einer verächtlichen Geste zu ihr um. »Du halten Mund, Weib, sonst tot!«
»Du gehen, sonst du tot!«, antwortete Gisela und spannte ihre Pistole.
Die beiden Indianer wechselten einen kurzen Blick und wollten sie in die Zange nehmen. Nizhoni hielten sie für eine der Indiofrauen, die bereits vor Generationen mexikanische Sitten angenommen hatten, und beachteten sie daher nicht weiter.
Nun klang deren Stimme hell und klar durch das Haus. »Ihr werdet jetzt gehen und niemals wiederkommen, sonst nimmt Po’ha-bet’chy eure Skalps!« Sie verwendete
Weitere Kostenlose Bücher