Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Vorräte mitnehmen. Diese werden Ihnen von der mexikanischen Regierung gestellt. Dazu erhält jeder Siedler eine Kuh und mehrere Stück Federvieh, drei zusammen einen Ochsen zum Pflügen, und fünf Siedler teilen sich einen Bullen. Wie steht es mit Waffen? Tejas ist ein noch unberührtes Land, und Sie müssen mit wilden Tieren und Indianerüberfällen rechnen.«
»Wir haben ein paar Gewehre, die wir für die Jagd verwenden wollten«, erklärte Tobolinski.
»Bei uns ist es genauso«, setzte der irische Priester hinzu.
Walther sah Scharezzani an, doch der wagte es nicht, ohne Rücksprache mit seinem Patron zu antworten.
»Besitzen Sie Waffen?«, fragte Walther jetzt schärfer.
Rasch übersetzte Scharezzani diese Worte für seinen Anführer. Dieser nickte und holte ein Klappmesser aus der Tasche, dessen Klinge die eines Hirschfängers übertraf.
»Ich meine Schusswaffen«, präzisierte Walther seine Frage.
Nach der kurzen Pause, die Scharezzani brauchte, um die Worte zu übersetzen, zeigten ihm dessen Leute mehrere langläufige Flinten und ein halbes Dutzend Pistolen.
»Gut! Das muss fürs Erste reichen. Sie werden die Schusswaffen so aufteilen, dass jede Farm mindestens über eine verfügt, und aus San Felipe de Guzmán genug Schießbedarf mitnehmen, um etliche Monate damit auszukommen«, setzte Walther seinen Vortrag fort. »Unterwegs müssen Sie jede meiner Anweisungen befolgen. Am Ziel angekommen werde ich Ihnen Ihr Siedlungsland zuweisen und es ins Register eintragen. Die Bedingungen für diese Landübertragung sind Ihnen ja bekannt. Sie schwören der Republik Mexiko den Treueid, sind katholisch und werden Ihre Namen mit einer hier gebräuchlichen Endung versehen. Für die Mexikaner sind Sie Padre Patrizio und Sie Krzesimiro. Diese Namen werden Sie bei den Behörden und mexikanischen Nachbarn verwenden. Außerdem werden Sie die Waren, die Sie erzeugen, hier in Mexiko auf den Markt bringen beziehungsweise über mexikanische Häfen ausführen. Haben Sie das verstanden? Und noch etwas: Sie sollten so rasch wie möglich Spanisch lernen. Sonst geht es hier noch zu wie beim Turmbau zu Babel!«
Walther hielt die Ansprache in Englisch, Latein und Deutsch und war froh, als er es hinter sich gebracht hatte. Nun hatte er etwas Ruhe, da die einzelnen Gruppen sich berieten.
Nach einer Weile kam Father Patrick zu ihm zurück. »Meine Leute und ich wollen eine Beschwerde vorbringen. Als wir in Cork, Kerry, Clare und Galway als Siedler angeworben wurden, hat man uns etliche Versprechungen gemacht, von denen bisher nur wenige eingehalten worden sind. Es hieß, wir würden mehr Vieh bekommen, Zugpferde, auch Knechte und Mägde für die Arbeit, eine Summe Geld und noch etliches andere mehr.«
»Das stimmt! Und wir gehen nicht eher, bis diese Versprechen erfüllt sind«, rief einer der Iren in einem so grauenhaften englischen Dialekt, dass Walther ihn kaum verstand.
Dieselbe Klage brachten auch Tobolinskis Leute vor, und bald darauf stieß Scharezzani in das gleiche Horn. Während Walther über eine Antwort nachdachte, ließ er seinen Blick über das Lager schweifen. Im Gegensatz zu ihm und den anderen Schiffbrüchigen der
Loire
waren die zukünftigen Siedler sehr gut ausgestattet, denn sie hatten landwirtschaftliches Gerät und anderes Werkzeug aus ihrer Heimat mitgebracht.
»Ich werde Don Ramón de Gamuzana Ihre Klagen morgen vortragen«, erklärte er kurz angebunden. »Wenn er Ihnen helfen kann, wird er es tun. Sie sollten sich jedoch klarmachen, dass Mexiko ein großes Land ist und es sehr lange dauert, bis Güter aus den südlichen Landesteilen bis hierher nach Tejas gelangen. Für Sie alle ist es erst einmal wichtig, dass Sie zu essen haben, eine Waffe, um sich und Ihre Familie zu schützen, und die Bereitschaft, dem jungfräulichen Boden das abzuringen, was Sie zum Leben brauchen.«
»Das hatten wir zu Hause auch. Dafür hätten wir nicht nach Amerika kommen müssen!«, rief Tobolinski aufgebracht. Die Iren und Scharezzanis Leute äußerten ebenfalls lautstark ihren Unmut.
Walther musste daran denken, wie schwierig es für ihn und die Siedler von der
Loire
immer noch war, das Notwendigste zu erhalten, und dass er sogar schon sein Reittier vor den Pflug hatte spannen müssen, weil der Ochse, den er sich mit Thierry Coureur und Thomé Laballe teilen musste, verletzt gewesen war.
»Ruhe jetzt!«, rief er verärgert in das Geschimpfe hinein. »Wir werden in drei Tagen aufbrechen, und ich zwinge niemanden
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