Der weite Himmel: Roman (German Edition)
mich bislang noch nicht mit dir im Heu gewälzt, weil du noch nicht dazu bereit bist, und zweitens bin ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, du könntest daran interessiert sein, mit mir auszugehen. Wie bei einem Rendezvous«, schloß er lahm.
Vielleicht hatte sie ja die Macht weiblicher Ausstrahlung unterschätzt, überlegte Willa, wenn schon ein einfacher Wink mit dem Zaunpfahl einen Mann wie Ben McKinnon dazu brachte, wie eine Forelle am Haken zu zappeln. »Dann hast du dich eben geirrt.«
Ein Trick, dachte Ben, als sie die Handbremse löste und weiterfuhr. Irgendwo gab es eine verborgene Falle, die sich um seinen Knöchel schließen würde, sowie er einen falschen Schritt machte. Er beobachtete sie mißtrauisch, war auf alles gefaßt, als sie den Wagen vor dem Haupthaus parkte und den Motor abstellte.
»Fahr du mit dem Jeep hier zurück«, sagte sie leichthin. »Ich schicke morgen jemanden rüber, der ihn abholt. Danke, daß du mich nach Hause gebracht hast.«
Ben konnte das Klicken förmlich hören, mit dem die Falle zuschnappte, als er die Zehenspitze hineinsteckte. »Samstag abend. Punkt sechs Uhr. Erst gehen wir essen und dann ins Kino.«
Sie mußte ein Lachen unterdrücken, doch es gelang ihr,
mit ernster Miene zu nicken. »Gut. Bis dann.« Mit diesen Worten sprang sie aus dem Jeep und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Kapitel 9
Der Winter hielt mit unverminderter Härte an. Die Temperaturen bewegten sich in nahezu unerträglichen Minusgraden, und als sie endlich anstiegen, versank Montana im Schnee. Zweimal wurden die Zufahrtsstraßen zur Mercy Ranch von meterhohen Schneewehen blockiert, die der unbarmherzige Wind aufgetürmt hatte.
Trotz der widrigen Wetterbedingungen begannen die Kühe zu kalben. Im Viehstall schwitzte und keuchte Willa vor Anstrengung, die Kälber ans Licht der Welt zu befördern. Eine trächtige Kuh muhte jämmerlich, als Willa mit beiden Armen in den Geburtskanal langte, zupackte und das sich noch in der Fruchtblase befindliche glitschige und sperrige Kalb zu fassen bekam. Sie atmete hörbar ein, als die nächste Wehe ihr schmerzhaft die Arme quetschte. Nach Beendigung dieser Arbeit würden ihre Arme bis zum Ellbogen mit blauen Flecken und Blutergüssen übersät sein.
Willa wartete eine Sekunde, paßte dann den richtigen Zeitpunkt ab und zog das Kalb zur Hälfte aus dem Mutterleib heraus.
»Bei der nächsten Wehe ist es draußen«, rief sie laut, während Blut und Fruchtwasser bereits über ihre Arme rannen. »Mach schon, Baby, laß los!« Wie ein Schwimmer, der im Begriff war unterzutauchen, holte sie tief Atem, füllte ihre Lungen mit Luft und zog dann mit aller Kraft, als die nächste Wehe einsetzte. Und das Kalb glitt heraus.
Ihre Stiefel waren mit Schleim bedeckt, die dicken Kordhosen voller Flecken, und ihr Rücken schmerzte bei jeder Bewegung. »Billy, halt die Spritze bereit!« befahl sie. »Paß auf die beiden auf!«
Wenn alles gutging, würde das Muttertier sein Kleines
säubern. Falls nicht, würde Billy auch diese Aufgabe übernehmen müssen. Willa hatte ihn während der letzten Wochen sorgfältig ausgebildet und ihn mit einer Spritze an einer Orange so lange üben lassen, bis er imstande war, den Neugeborenen die nötigen Medikamente zu injizieren.
»Ich mach’ mit der nächsten Kuh weiter«, sagte sie, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Ham?«
»Alles klar.« Er beobachtete mit Argusaugen, wie Jim ein weiteres Kalb herauszog.
Im Hintergrund lauerte stets die Angst, daß ein Kalb zu groß sein oder falsch im Mutterleib liegen könnte, so daß der Geburtsvorgang trotz menschlicher Unterstützung für Mutterkuh und Kalb tödlich ausging. Willa erinnerte sich nur zu gut an das erste Mal, als sie diesen Kampf verloren hatte, an das Blut, die Schmerzen und ihre furchtbare Hilflosigkeit. Wenn man die Schwierigkeiten rechtzeitig erkannte, konnte noch der Tierarzt gerufen werden, ansonsten aber waren die Rancher und Viehknechte während der Kälbersaison im Februar und März weitgehend auf sich gestellt.
Das lag alles nur an den Steroiden und Wachstumshormonen, die den Tieren verabreicht wurden, dachte Willa grimmig, während sie die nächste Kuh untersuchte. Der Kilopreis für Rindfleisch hatte die Rancher dazu verführt, immer größere Kälber zu produzieren. Die Folge davon war, daß ein an sich vollkommen natürlicher Vorgang nicht mehr ohne menschliche Hilfe reibungslos ablaufen konnte.
Nun, sie würde die Hormonzugaben
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