Der weite Himmel: Roman (German Edition)
drohte. »Er ist völlig durchgedreht und mehr als nur ein bißchen verrückt. Ruf Ben, Nate und jeden anderen, der dir einfällt, an und sag ihnen, daß wir einen
Suchtrupp organisieren müssen, und zwar schnell. Wir können jeden Freiwilligen brauchen, wenn wir ihnen nachreiten.«
»Ich packe rasch ein paar warme Sachen zusammen.« Tess hielt sich am Geländerpfosten so fest, daß ihre Knöchel weiß hervortraten. »Auch für Lily. Sie wird sie brauchen, wenn wir sie finden.«
»Aber mach schnell!«
Innerhalb von zehn Minuten hatte Willa die Männer informiert. Sie waren bewaffnet, trugen Vorräte für zwei Tage bei sich und rechneten damit, die nächste Zeit im Jeep oder auf einem Pferderücken zu verbringen.
»Er kennt die Gegend nicht so gut wie die meisten von uns«, fuhr sie fort. »Er hatte ja nur ein paar Monate Zeit, um sich mit dem Land vertraut zu machen. Und Lily wird ihn nach Kräften aufhalten, wird das Tempo absichtlich verlangsamen. Wir schwärmen aus. Es besteht die Möglichkeit, daß er sie oben in die Hütte bringen will, also werden Adam und ich dorthin reiten. Das Wetter dürfte ihm schwer zu schaffen machen – uns aber leider auch.«
»Wir kriegen den Dreckskerl.« Jim schob sein Gewehr in die Hülle. »Und wir werden ihn noch vor dem Morgengrauen erwischen.«
»Spuren werden kaum noch zu finden sein, also …« Sie brach ab, als sie Bens Jeep mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die Ranch zurasen sah. Vor Erleichterung wurden ihr die Knie weich, doch sie nahm sich zusammen. »Wir müssen ein ziemlich großes Gebiet abdecken. Ihr alle wißt, was ihr zu tun habt. Die Cops haben die wichtigsten Straßen abgesperrt, und sie setzen zusätzliche Männer ein. Bei Tagesanbruch steigt eine Hubschrauberstaffel auf. Bis dahin will ich meine Schwester aber schon zurückhaben. Was Cooke angeht …« Sie holte tief Atem. »Wir werden sehen. Also los!«
»Welche Route nimmst du?« Es war die einzige Frage, die Ben stellte.
»Ich reite mit Adam über den westlichen Paß zur Hütte.«
Er nickte. »Ich komme mit. Ich brauche ein Pferd.«
»Wir haben noch eines übrig.«
»Ich komme auch mit.« Tess, in deren Augen Tränen standen, trat an Adams Seite. »Reiten kann ich ja.«
»Du wirst uns nur behindern.«
»Fahr doch zur Hölle!« Tess packte Willas Arm und riß sie zu sich herum. »Lily ist auch meine Schwester. Ich komme mit!«
»Reiten kann sie«, bemerkte Adam ruhig, als er sich in den Sattel schwang, nach seinem Hund pfiff und davongaloppierte.
»Warte wenigstens auf Nate«, bat Willa. »Er kennt den Weg.« Rasch stieg sie auf ihr Pferd. »Jemand muß ihn über alles, was vorgefallen ist, informieren.«
Da sie wußte, daß sie sich damit zufriedengeben mußte, nickte Tess zustimmend. »Gut. Wir holen euch dann ein.«
»Wir bringen sie zurück, Tess«, murmelte Ben, als er in den Sattel kletterte und nach Charlie rief.
»Bringt sie beide zurück«, sagte Tess leise und sah den Reitern nach.
Adam sprach kein einziges Wort, bis sie auf den verlassenen Jeep stießen. Unglaubliche Wut hatte ihn ergriffen und lähmte seinen Verstand. Willa hielt an, um nach Spuren Ausschau zu halten. Der Jeep steckte bis zum Bodenblech im Schnee, die Motorhaube hatte sich in einen Baum gebohrt. Dicker, nasser Schnee bedeckte den Boden, durch den sich die Hunde hindurchwühlten.
»Er hat sie geschlagen.« Adam riß die Tür auf der Fahrerseite auf; voller Angst, daß er Blutlachen entdecken würde. Oder Schlimmeres. »Mit der Faust hat er ihr ins Gesicht geschlagen. Ich habe die Male deutlich gesehen.«
Der Jeep war leer, nur an der Beifahrertür fanden sie einige Blutspritzer. Nicht von Lily, dachte Adam erleichtert. Das war Cookes Blut.
»Ihm lief doch Blut über das Gesicht«, bestätigte Willa seine Vermutung. »Sie hat ihm die Schläge heimgezahlt, mit Zins und Zinseszins.«
Als Adam sich zu seiner Schwester umdrehte, wirkten seine
Augen stumpf und ausdruckslos. »Ich habe ihr versprochen, daß niemand je wieder Hand an sie legen würde.«
»Du konntest überhaupt nichts tun, um ihr zu helfen. Er wird sie schon nicht über Gebühr quälen, Adam. Er braucht sie, um mit einigermaßen heiler Haut aus der Sache herauszukommen. Er wird mit ihr nicht dasselbe machen, was er …«
»Was er all den anderen angetan hat?« Adam biß sich auf die Lippen und verdrängte den furchtbaren Gedanken. Ohne sich weiter dazu zu äußern, stieg er auf sein Pferd und ritt weiter.
»Laß ihn!« Ben hielt
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