Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
»Denk daran, was du versprochen hast«, mahnte er.
    Sie trennten sich, einer ging nach rechts, der andere nach links, so daß der Höhleneingang, vor dem das kleine Feuer langsam erlosch, von beiden Seiten abgesichert war. Willa hielt Moon durch Schenkeldruck ruhig und beobachtete die beiden. Sie bewegten sich in absolutem Gleichklang; zwei Männer, die seit ihrer Kindheit gemeinsam auf die Jagd gegangen waren, die die Gedanken des anderen lesen konnten. Eine Handbewegung, ein flüchtiges Nicken, und sie änderten ihr Tempo, gingen rascher, aber nicht zu hastig weiter.
    Je näher sie der Höhle kamen, desto heftiger begann Willas Herz zu hämmern. Sie hatte Mühe zu atmen, als sie sich innerlich auf Schüsse oder Schreie oder auf verspritztes Blut vorbereitete. Sie schickte lautlose Gebete gen Himmel, wiederholte
die Worte im Geiste wieder und wieder; erst auf englisch, dann in der Sprache ihrer Mutter und schließlich in einer verzweifelten Mischung aus beidem zugleich, als sie alle Götter, die bereit sein mochten, ihr eine Bitte zu gewähren, um Hilfe anflehte. Dann zwang sie sich, mehrmals tief durchzuatmen. Etwas gefestigter hob sie ihr Gewehr und richtete es auf den Eingang der kleinen Höhle.
    Doch es war Lily, die unverhofft im Fadenkreuz der Waffe auftauchte.
    »Mein Gott!« Willa vergaß ihren Auftrag, trat Moon in die Flanken und jagte, ihren Wachposten im Stich lassend, auf ihre Schwester zu. Lily lag bereits in Adams Armen, und er wiegte sie sanft hin und her, als Willa vom Pferd sprang. »Ist sie verletzt? Was hat er mit ihr gemacht?«
    »Sie glüht regelrecht vor Fieber.« Außer sich vor Sorge preßte Adam sein Gesicht gegen Lilys, als könne er sie dadurch kühlen. Jeglicher Gedanke an Rache verblaßte in diesem Moment, als sie sich zitternd an ihn schmiegte. »Wir müssen sie so schnell wie möglich nach Hause schaffen.«
    »Drinnen«, stammelte Lily und drängte sich noch enger an Adam. »In der Höhle. Jesse. O Gott!«
    »Drinnen?« Willas Kopf fuhr herum, und all ihre Ängste stürmten wieder auf sie ein. »Ben?« Erst flüsterte sie seinen Namen, dann schrie sie ihn lauthals, während sie auf die Höhle zurannte.
    Ben bewegte sich blitzschnell, doch nicht schnell genug, um ihr den Zutritt zur Höhle zu verwehren, um zu verhindern, daß sie sah, was da verkrümmt am Boden lag.
    »Mach, daß du rauskommst!« Er verstellte ihr mit seinem Körper die Sicht und faßte sie unsanft bei den Schultern. »Jetzt sofort!«
    »Aber wie ist das möglich?« Ein See von Blut. Der aufgeschlitzte Bauch, die klaffende Halswunde, der gräßliche kahle Schädel, dem die Kopfhaut fehlte. »Wer?«
    »Geh hinaus.« Ben drehte sie grob um und schob sie ins Freie. »Und bleib auch draußen!«
    Sie schaffte es bis hinaus auf die Lichtung, dann mußte sie sich Halt suchend gegen einen Felsen lehnen. Kalter Schweiß
brach ihr aus allen Poren, und ihr Magen rebellierte so heftig, daß sie beinahe schluchzend nach Luft ringen mußte, so lange, bis sie sicher war, weder in Ohnmacht fallen noch sich übergeben zu müssen.
    Der Schleier vor ihren Augen lichtete sich wieder, und sie sah, wie Adam Lily in seinen Mantel hüllte. »Ich habe eine Thermoskanne mit Kaffee in meiner Satteltasche. Er müßte eigentlich noch warm sein.« Willa richtete sich auf und zwang sich, ein paar unsichere Schritte zu machen. »Wir sollten versuchen, ihr etwas davon einzuflößen, und sie dann nach Hause bringen.«
    Adam erhob sich und nahm Lily auf die Arme. Sein Blick kreuzte den von Willa, und ein stahlharter Ausdruck war in seinen Augen. »Er ist bereits tot, nicht wahr?«
    »Ja, er ist tot.«
    »Mit meinen eigenen Händen wollte ich ihn umbringen, langsam und qualvoll, und nun …«
    »Nun hat dir jemand diese Arbeit abgenommen«, erwiderte Willa lakonisch, drehte sich um und ging zu ihrem Pferd.
     
    Ruhelos tigerte Willa in Adams Wohnzimmer auf und ab. Sie war in einem Krankenzimmer zu nichts zu gebrauchen und wußte das auch. Doch sie kam sich entsetzlich hilflos und überflüssig vor. Erst vor einer knappen Stunde waren sie zurückgekehrt, und schon hatte man sie jeglicher Pflicht enthoben. Adam und Bess taten alles, was für Lily getan werden mußte, Ben und Nate standen den Cops Rede und Antwort, und ihre Männer nutzten den Rest des Morgens, um sich von den Strapazen der langen Nacht zu erholen.
    Sogar Tess war eine Aufgabe zugewiesen worden. Im Moment stand sie in der Küche und kochte Tee oder Kaffee und wärmte Suppe auf.

Weitere Kostenlose Bücher