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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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erhob.
    »Verdammt noch mal, was soll das? Was hast du getan?«
    Dann kam die Erkenntnis, doch als er die Klinge aufblitzen sah, wußte er, daß es zu spät war. Voller Panik, das bluttriefende Messer noch in der Hand, starrte der Mann auf Ham nieder, auf die immer größer werdende Lache um ihn herum. Entsetzt wischte er sich mit der Hand über den Mund. Es hatte ihn wieder überkommen. Nur ein einziges Kalb hatte er töten wollen. Eigentlich hatte er vorgehabt, es von der Ranch fortzuschaffen, aber irgendwie schien das Messer wie von selbst in seine Hand gelangt zu sein.
    Und nun Ham. Nie hatte er die Absicht gehabt, Ham etwas anzutun. Ham hatte ihn ausgebildet, mit ihm gearbeitet und ihm mit Rat und Tat zur Seite gestanden, wenn es erforderlich gewesen war. Er war immer davon überzeugt gewesen, daß Ham die Wahrheit über ihn kannte, daß Ham wußte, wer er war und woher er kam. Ham hatte sich ihm gegenüber immer anständig verhalten.
    Aber ihm blieb keine andere Wahl. Er mußte die Sache zu Ende bringen. Doch gerade als er sich zu der reglosen Gestalt niederbeugte und erneut sein Messer zückte, tauchte Willa plötzlich aus dem Nichts auf.
    »Ham? Bist du das? Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, daß …« Beinahe wäre sie ausgerutscht, als ein Blitz den zu ihren Füßen liegenden Mann in fahles Licht tauchte. »O Gott, was ist mit ihm passiert? Was ist geschehen?« Sie sank auf die Knie und untersuchte ihn behutsam. »Ist er …« Dann sah sie das Blut an ihren Händen.
    »Es tut mir leid, Will. Es tut mir ja so leid.« Er richtete das Messer auf sie und setzte ihr die Klinge an den Hals. »Fang bloß nicht an zu schreien. Ich will dir nicht weh tun. Ich
schwöre, daß ich dir nichts tun werde.« Zitternd stieß er den Atem aus. »Ich bin doch dein Bruder.«
    Dann holte er aus und schlug ihr mit der Faust gegen die Schläfe, daß sie bewußtlos zusammensank.
     
    Ham erwachte, weil ein grimmiger, brennender Schmerz in seinem Körper wütete, dessen Quelle er nicht lokalisieren konnte. Er schmeckte nur Blut im Mund. Stöhnend versuchte er, sich aufzurichten, mußte aber feststellen, daß er seine Beine nicht bewegen konnte. Mühsam drehte er den Kopf zur Seite, und sein Blick fiel auf das inzwischen verblutete Kalb, das ihn aus toten Augen anstarrte.
    Bald würde ihn dasselbe Schicksal erwarten, dachte er.
    Da lag noch etwas auf dem Boden. Ham schaute den Gegenstand lange an, der immer wieder vor seinen Augen verschwamm. Schließlich kroch er, von Schmerzen gepeinigt, darauf zu und strich mit der Fingerspitze darüber.
    Es war Willas Hut.
     
    Er mußte sie tragen. Eigentlich hätte er einen Jeep nehmen sollen, wußte, daß das die bessere Lösung gewesen wäre, doch er war nicht in der Lage, logisch zu denken. Nun legte er Willa so behutsam wie möglich neben dem Zaun der nächstgelegenen Weide ab und schüttelte mit zitternden Händen einen Eimer, der mit Körnern gefüllt war.
    Sie würden die Ranch zu Pferde verlassen. Vermutlich war es so am besten. Er wollte sie von hier fortbringen, hinauf in die Berge, wo er ihr alles erklären würde. Wenn er mit seiner Geschichte zu Ende war, würde sie ihn verstehen.
    Blut war dicker als Wasser.
    Er sattelte das gescheckte Pony, das seine Nase in den Eimer steckte, und dann den kastanienbraunen Wallach, der neugierig angetrabt kam. Obwohl er sein Tun verabscheute, sah er keine andere Möglichkeit, als Willa vorübergehend an Händen und Füßen zu fesseln und sie quer über den Sattel zu legen. Bald würde sie wieder zu sich kommen, dachte er, und dann würde sie versuchen zu fliehen, ehe er ihr seine Beweggründe erläutern konnte.
    Sie würde ihn verstehen. Er betete, daß sie ein Einsehen haben würde, als er sich in den Sattel schwang und die Zügel beider Pferde ergriff. Wenn nicht, würde er sie töten müssen.
    Das Donnergrollen kam näher. Er trieb die Pferde an und ritt in Richtung der Berge davon.
     
    Ham hielt den Hut krampfhaft mit einer Hand fest, erhob sich schwankend und taumelte unsicher zwei Schritte vorwärts, bevor er wieder zusammenbrach. Er versuchte zu schreien, doch er brachte kaum mehr als ein Flüstern hervor.
    Er mußte an Willa denken, die er, als sie fast noch ein Baby gewesen war, vor sich in den Sattel gesetzt und ihrem begeisterten Krähen gelauscht hatte. Dann an das kleine Mädchen, das nur aus riesigen Augen und Zöpfen zu bestehen schien und ihn anbettelte, sie doch mit ausreiten zu lassen. An den Teenager, schlaksig wie ein

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