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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Haut. »Das tut mir entsetzlich leid, Jim.« Und tatsächlich erfüllte sie ein tiefes, von Herzen kommendes Mitleid.
    »Ich war sechzehn. Damals lebten wir in Billings, und ich verrichtete Gelegenheitsarbeiten, half hier und da aus. Sie war schon steif, als ich nach Hause kam und sie fand, lag in ihrem eigenen Erbrochenen auf dem Fußboden. Sie hatte es nicht verdient, so jämmerlich zu verrecken. Er hat sie getötet, Will.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Ich wollte ihn umbringen. Das war mein erster Gedanke. Ich hatte schon einige Erfahrung im Töten, hab’ hauptsächlich
streunende Hunde und Katzen kaltgemacht und mir vorgestellt, sie trügen sein Gesicht, wenn ich sie aufschlitzte. Damals besaß ich leider nur ein Taschenmesser, aber es ging.«
    Bei seinen Worten drehte sich Willa der Magen um. Der saure Inhalt stieg ihr in die Kehle, und sie schluckte krampfhaft. »Aber du hattest doch noch Familie, die Angehörigen deiner Mutter lebten doch noch.«
    »Ich wollte auf keinen Fall wie ein Bettler bei denen angekrochen kommen, nicht, nachdem sie meine Mutter vor die Tür gesetzt hatten. Zur Hölle mit ihnen!« Er hob den Stock wieder auf und schlug damit wie besessen auf den Stein ein. »Ich hoffe, sie bekommen einmal ihre gerechte Strafe dafür.«
    Sie konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, als er wieder und wieder auf den Stein schlug und Verwünschungen ausstieß, wobei seine Gesichtsmuskeln unkontrolliert zuckten. Dann hielt er inne, sein Gesicht hellte sich auf, und er tappte mit dem Stock müßig auf dem Boden herum wie ein Mann, der seine Zeit totschlägt.
    »Außerdem mußte ich ja mein Versprechen halten«, fuhr er fort. »Also ging ich zu ihm und konfrontierte ihn mit der Wahrheit. Er lachte nur und nannte mich den Wechselbalg einer Hure, und als ich auf ihn losging, schlug er mich zu Boden. Er sagte, ich wäre nicht sein Sohn, aber er würde mir einen Job geben, und wenn ich einen Monat durchhalten würde, würde er mich auf die Lohnliste setzen. Dann überließ er mich Hams Obhut.«
    Eine eiskalte Faust schloß sich um Willas Herz. Ham. Hatte ihn jemand gefunden? Bekam er ärztliche Hilfe? »Wußte Ham Bescheid?«
    »Ich glaube schon. Er hat mit mir nie darüber gesprochen, aber ich glaube, er wußte es. Ich sehe meinem Vater sehr ähnlich, findest du nicht?«
    In seiner Stimme schwang soviel Hoffnung, soviel kläglicher Stolz mit, daß Willa langsam nickte. »Doch, eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden.«
    »Also begann ich, für ihn zu arbeiten. Ich gab mir wirklich Mühe, lernte rasch, worauf es ankam, und war mit Leib und
Seele dabei. Zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag schenkte er mir dieses Messer.« Er zog es aus der Scheide und hielt es ins Licht. Ein Crocodile Bowie mit einer langen, geschliffenen Klinge, die im Mondschein funkelte wie der Reißzahn eines vorsintflutlichen Raubtieres.
    »Das hat etwas zu bedeuten, Willa, wenn ein Mann seinem Sohn ein solches Messer schenkt.«
    Der Schweiß auf ihrer Haut fühlte sich plötzlich kalt an. »Er hat dir dieses Messer gegeben?«
    »Ich habe ihn geliebt. Ich hätte mich für ihn halb zu Tode geschuftet, und der Mistkerl wußte das. Nie habe ich irgend etwas von ihm verlangt, weil ich tief in meinem Inneren wußte, daß er mir geben würde, was mir von Rechts wegen zusteht, wenn die Zeit reif ist. Ich war sein Sohn, sein einziger Sohn, aber alles, was ich je von ihm bekommen habe, war dieses Messer. Letztendlich hat er seinen gesamten Besitz dir, Lily und Tess vermacht, und ich ging leer aus.«
    Langsam bewegte er sich auf sie zu, kam immer näher. Die Klinge in seiner Hand schimmerte bedrohlich, seine Augen funkelten in der Dunkelheit. »Das hätte er nicht tun dürfen. Es war so ungerecht.«
    Willa schloß die Augen und wartete auf den Schmerz.
     
    Charlie rannte vorneweg, die Nase dicht am Boden, die Ohren aufmerksam gespitzt. Ben ritt ihm hinterher, ohne Begleitung, und dankte seinem Schöpfer insgeheim für das helle Mondlicht. Er betete darum, daß die Wolken, die sich im Westen zusammenzogen, nicht so schnell näher kommen würden. Ohne Licht standen seine Chancen ausgesprochen schlecht.
    Ihm kam es beinahe so vor, als könne er selbst ihre Witterung aufnehmen, jenen Duft nach Seife, Leder und einer ganz persönlichen Note, die nur Willa gehörte. Er wagte nicht, sich auszumalen, was mit ihr geschehen sein konnte, da sonst die nackte Furcht ihn am Denken hindern würde. Es war aber von elementarer Wichtigkeit, daß er seine fünf

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